Johann Christoph Denner (*13. August 1655 in Leipzig; † 20. April 1707 in Nürnberg) gilt als der Erfinder der Klarinette, einem Musikinstrument, das eine wichtige Rolle in vielen klassischen Orchestern und Ensembles spielt.
Denner wurde am 13. August 1655 als ältester Sohn von Heinrich Denner in Leipzig, Deutschland, geboren und verbrachte den Großteil seines Lebens in Nürnberg. Er stammte aus einer Familie von Instrumentenbauern und lernte in jungen Jahren bereits in der Werkstatt seines Vaters, Heinrich, der die Tätigkeit eines Wildruf- und Horndrehers ausübte. Hier lernte Christoph die Grundlagen für den Bau von Holzblasinstrumenten.
Johann Christoph Denner hatte einen 5 Jahre jüngeren Bruder, Johann Carl Denner, der sich ebenfalls mit dem Instrumentenbau beschäftigte, jedoch lebenslang im Schatten seines großen Bruders Johann Christoph stand.
Im Jahr 1680 zog Denner nach Nürnberg, einer Stadt, die zu dieser Zeit ein bedeutendes Zentrum des Musikinstrumentenbaus war.
Obwohl es bereits Vorgänger der Klarinette gab, wird Denner als der Erfinder des modernen Klarinettenkonzepts angesehen. Er experimentierte mit verschiedenen Materialien, Bohrungen und Klappenmechanismen, um den Klang und die Spielbarkeit der Klarinette zu verbessern. Ein wesentliches Merkmal von Denners Klarinette war die Einführung der sogenannten „Überblasklappe“ oder auch „Duodezimklappe“ genannt. Durch diese im oberen Teil der Klarinette befindliche Mechanik, konnte der Spieler den Tonumfang des Instruments erheblich erweitern.
Ein kleines, durch eine Klappe verschließbares Tonloch, das durch die Teilung der Luftsäule im Instrument tiefere, sowie höherer Töne ermöglichte. Wird bei einem zylindrischen Rohr ein solches Tonloch geöffnet, springen die so erzeugten höheren Töne in eine Oktave und eine Quinte (lateinisch Duodezime). Öffnet man dieses Tonloch (hier wird es Oktavklappe genannt) in einem konischen Rohr, wie z. B. beim Saxophon oder der Oboe, entsprechen die erzeugten oberen Töne einer Oktave. Dies ist der Hauptunterschied zwischen der Akustik bzw. Tonerzeugung der Klarinette, der Oboe und des Saxophons.
Eine weitere Entwicklung Denners war das mit einer Metallhülse versehene Tonloch, auf der Unterseite des Oberstücks, das mit dem linken Daumen betätigt wird. Sie verhindert das Eindringen von Kondenswasser in das Daumenloch und die Ansammlung von Feuchtigkeit im Instrument.
Johann Christoph Denner gilt nicht nur als Erfinder der Klarinette, sondern auch des Rackettfagotts (auch Stockfagott genannt). Als ihm 1696 das Meisterrecht verliehen wurde, gehörte er ab diesem Zeitpunkt zu den ehrbaren Bürgern der Reichsstadt Nürnberg.
Obwohl Johann Christoph Denner hauptsächlich für seine Arbeit an der Klarinette bekannt ist, war er auch ein erfahrener Instrumentenbauer für andere Holzblasinstrumente wie Flöten und Oboen. Sein umfassendes Wissen und sein Streben nach Perfektion beeinflussten auch andere Manufakturen seiner Zeit und trugen zur Weiterentwicklung der gesamten Holzblasinstrumentenfamilie bei. Die damaligen Instrumente bestanden überwiegend aus Buchsbaum, einem klassischen Holzblasinstrumentenmaterial der Renaissance und des Barock.
Johann Christoph Denners Instrumente, tragen meistens die Signatur „I. C. Denner“ in einem wehenden Wimpel (siehe Foto).
Als Denner am 20. April 1707 in Nürnberg starb, hinterließ er eine Instrumentenfabrik, die unter seinem Sohn, Jacob Denner (1681–1735), erfolgreich weitergeführt wurde. Jacob befasste sich vor allem mit der Anfertigung von Flöten und Weiterentwicklungen der beliebten Barockoboe.
Wie Ihr bestimmt wisst, seid Ihr auf einer Klarinettenseite für das deutsche System gelandet! Trotzdem möchte ich versuchen, mich dem Thema objektiv zu nähern, da ich auch auf einige persönliche Erfahrungen mit dem Boehm-System (auch französisches System genannt) zurückgreifen kann. Es gibt hier sehr unterschiedliche Meinungen zum Thema. Fangen wir also an:
Die Wahl des Klarinettensystems ist eine wichtige Entscheidung, da sie direkte Auswirkungen auf den Klang, die Spielbarkeit, die musikalische Ausdruckskraft und die Kosten hat. In diesem Artikel werde ich die Vor- und Nachteile beider Systeme darlegen, um Euch bei der Wahl zu unterstützen.
Vorteile des deutschen Systems gegenüber der Boehm-Klarinette:
Instrumente mit deutschem System werden für ihren warmen, vollen, klassischen Ton geschätzt. Wer Berufsmusiker werden will und später einmal in einem deutschen Klassik-Orchester mitspielen möchte, sollte dieses System lernen, da es schon oftmals beim Musik-Studium gefordert wird und später auch beim Orchester. Es gibt auch mehr Musiklehrer in Deutschland, die das deutsche System unterrichten. Darüber hinaus bietet die deutsche Griffweise eine präzise Intonation, insbesondere in den tieferen Registern. Dies ist bei Ensemble- und Orchesterauftritten von großer Bedeutung. Durch die ausgeklügelte Mechanik (vor allem beim Oehler-System) wird die Kontrolle über die Intonation erleichtert.
Vorteile sind hier auch die Handposition und Ergonomie. Beide Faktoren ermöglichen es den Fingern, bequem auf den Klappen zu ruhen, was das Spielen erleichtert und die Belastung der Hände reduziert. Die Rollen an einigen Klappen begünstigen den sanften Übergang von einer Klappe zur anderen. Spieler mit kleineren Händen oder Handgelenksproblemen können hier vom deutschen System profitieren.
Nachteile des deutschen Systems gegenüber der Boehm-Klarinette:
Beim Vergleich zum Boehm-System kann die deutsche Klarinette Einschränkungen in der Spieltechnik haben. Das Boehm-System verfügt über mehr Hilfsgriffe und ermöglicht dadurch beim Musizieren schnellere und flüssigere Passagen, durch mehr Griffkombinationen. Bei Stücken mit virtuosen Anforderungen ist das deutsche System hier gelegentlich benachteiligt. Vor allem, was die Hilfsgriffe betrifft. Ein weiterer Nachteil des deutschen Systems ist das etwas höhere Gewicht, durch mehr Klappen. Das Oehler-System bringt eindeutig mehr Gramm auf die Waage. Durch das Mehr an Klappen und Tonlöchern, ist das in Deutschland vorrangig gespielte Oehler-System auch anfälliger für Reparaturen.
Da die französische Klarinette international aktuell mehr Verbreitung findet, sind auch die Anschaffungskosten niedriger als bei der deutschen. Größere Stückzahlen bei der Produktion ermöglichen einen niedrigeren Verkaufspreis. Wer später einmal zur Bass-Klarinette umsteigen und Kosten sparen will, der ist mit dem Boehm-System auch besser beraten als mit der deutschen Klarinette, da die Kostenunterschiede bei diesen Instrumenten noch größer sein können.
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Vor allem beim Jazz und Klezmer wird gern auf die Boehm-Klarinette zurückgegriffen, da sie einen helleren Klang hat und Läufe, Glissandi und Sprünge nach der Meinung vieler Klarinettisten einfacher zu spielen sind. Der Klangunterschied ergibt sich durch die anderen Bohrungsdurchmesser, die bei französischen Klarinetten etwas kleiner (14,4-14,7 mm; neuerdings auch manchmal ca. 15mm) als bei deutschen Modellen (14,5-15,0 mm) sind.
Yamaha Klarinette YCL-458II-22, französiches System; Innendurchmesser sehr weit 14,9mm
(Anmerkung: Immer wieder wird behauptet, dass Boehm Klarinetten weiter gebohrt sind, als das deutsche System. Dies ist meiner Meinung nach nicht richtig und mag nur evtl. auf die neueren Modelle zutreffen, die manchmal auch bis ca. 15mm gebort wurden, um wahrscheinlich den Klang der deutschen Klarinette näher zu kommen)
Natürlich wirst Du auch bei Deiner Recherche gegensätzliche Meinung zum Thema finden. Wahrscheinlich gibt es auch keine ultimative Wahrheit. Jeder muss sie für sich allein herausfinden, ob er sich mit einem deutschen System oder einer Boehm-Klarinette wohler fühlt. Eine Schwachstelle ist bei beiden Systemen die gleiche, sie nennt sich Klarinetten-Spieler. Das Instrument kann noch so gut gebaut sein, doch erst der Musiker verleiht ihm Leben und Klang. Die Wahl des Systems sollte daher auch auf den individuellen Fähigkeiten und Präferenzen des Spielers basieren.
Die Funktionsweise der Klarinette: Eine umfassende Analyse der Tonerzeugung
Die Klarinette ist ein vielseitiges Holzblasinstrument, das sowohl in der klassischen als auch in der populären Musik eingesetzt wird. Ihre einzigartige Klangqualität und ihr breites Klangspektrum haben sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil zahlreicher Musikgenres gemacht. Um zu verstehen, wie die Klarinette funktioniert und wie der Ton erzeugt wird, ist es notwendig, die Mechanismen genauer zu betrachten und die physikalischen Phänomene zu untersuchen, die zur Tonbildung beitragen. Die Tonerzeugung in der Klarinette beruht auf der Schwingung eines dünnen Rohrblattes. Wenn der Musiker in das Mundstück bläst, erzeugt der Luftstrom eine schnelle Vibration der Blattspitze, das erklärt sich wie folgt: Sobald die Atemluft in die Klarinette strömt, entsteht ein kleiner Unterdruck in der Munstückskammer, im Mundraum dagegen ein Überdruck. Die Blattspitze bewegt sich zum Mundstück und verschließt den Spalt (siehe Foto) für den Bruchteil einer Sekunde. Der Unterdruck bricht zusammen, das Blatt federt zurück an die Ausgangsposition. Jetzt kann wieder Luft einströmen und der Vorgang beginnt von vorn.
Dies führt zu Druckschwankungen in der Luftsäule innerhalb der Klarinette, die zum Schwingen angeregt wird, ein Ton erklingt. Die Veränderung der Tonhöhe, wird durch das Öffnen und Schließen der Tonlöcher gesteuert.
Die Interaktion zwischen dem Luftstrom, Blatt, Mundstück und der Luftsäule im inneren der Klarinette, verursacht letztendlich den Ton. Auch die Form und Flexibilität des Mundstücks sowie des Blatts beeinflussen die Klangfarbe und die Qualität der erzeugten Töne. Die Klarinette ist ein offenes Rohrsystem, bei dem die Tonhöhe durch das Öffnen und Schließen der Tonlöcher kontrolliert wird. Durch das Betätigen bestimmter Klappen werden verschiedene Tonlöcher freigelegt, wodurch sich die effektive Länge der Luftsäule ändert. Je länger die Luftsäule, desto niedriger ist die Frequenz und somit tiefer ist der erzeugte Ton. Je kürzer die Luftsäule, umso höher ist wiederum der Ton. Die Klangfarbe und Klangqualität können auch durch Variationen in der Anblastechnik des Musikers beeinflusst werden. So können durch Laute wie ooo, döö, töö, iiii unterschiedliche Klänge der Klarinette erzeugt werden, die zum Beispiel beim Klezmer und Jazz ein Jauchzen oder Weinen ausdrücken können.
Eine Besonderheit ist hier die sogenannte Überblasklappe. Während die Flöte und das Saxophon beim Überblasen in die Oktave gehen, klingt die Klarinette eineinhalb Oktaven höher, also 12 Töne. Lateinisch nennt man das Duodezime. Die Klappe am Überblasloch wird deswegen auch nicht als Oktav-, sondern Duodezimklappe bezeichnet.
Der Schalltrichter (auch Glocke genannt) ist ein wichtiges Teil bei der Klangerzeugung, vor allem bei tiefen Tönen. Da hier die schwingende Luftsäule aus der Klarinette austritt. Welche Wichtigkeit der Schalltrichter hat, merkt man meistens erst, wenn z. B. hier ein Riss vorhanden ist. Dies kann zu Klangveränderungen führen. Hier und da ist zu lesen, dass der Schalltrichter keine Funktion hat. Dem stimme ich nicht zu, da jedes Teil an der Klarinette und wenn es noch so unbedeutend erscheint, am Schluss in der Summe entscheidend den Klang, die Handhabung und natürlich die Intonation beeinflusst.
Abschließend sei bemerkt, dass gerade hier die hohe Kunst der Instrumentenbauer besteht, die Luftsäule in der Klarinette optimal schwingen zu lassen, um dem klassischen Klangideal immer näher zu kommen.
Immer wieder tauchen in der Klarinetten-Literatur zwei Namen auf, die viele Musiker vom Hörensagen kennen und doch sind in der einschlägigen Fachliteratur, nur noch wenige Informationen über jene Künstler zu finden. Geschuldet durch viele Kriegsjahre und den vom Wind der Zeit verwehte Spuren, soll dieser Fachbeitrag an zwei großartige Klarinettisten erinnern, die entscheidend die Klarinettenkultur in Deutschland prägten.
Hierbei handelt es sich um Heinrich Joseph Baermann (*14. Februar 1784 in Potsdam; †11. Juni 1847 in München) und seinen Sohn Carl (*24. Oktober 1811 in München; †24. Mai 1885 in München). Dabei zählten Vater und Sohn zu überaus bekannten Klarinettengrößen ihrer Zeit und das über Ländergrenzen hinweg, die entscheidend die Klarinettenkultur in jener Epoche prägten.
Vater Heinrich war ein Klarinettist, der als großer Virtuose auf seinem Instrument galt. Geboren in Potsdam als Sohn eines preußischen Militärmusikers, wurde schon früh sein musikalisches Talent entdeckt. Von 1797 bis 1804 erhielt Heinrich Joseph Baermann an der Militärmusikschule zu Potsdam, beim Klarinettisten Joseph Beer Musikunterricht, der als königlich preußischer Kammermusikus wirkte. Diese sehr prägende Zeit und Baermanns großes musikalisches Talent, sollten ihm in Zukunft noch viele Türen für seine Karriere öffnen.
Schon frühzeitig wurde Prinz Louis Ferdinand (1772-1806) auf den jungen Künstler aufmerksam und berief ihn letztendlich nach Berlin, wo er vom königlichen Hofmusiker Franz Wilhelm Tausch, der ein vorzüglicher Komponist und Klarinettenvirtuose war, ausgebildet wurde.
Als tiefen Einschnitt in seine Laufbahn ist hier der Napoleonische Krieg zu nennen, der Baermann vorübergehend dazu zwang, an den Kämpfen teilzunehmen, um dann auf tragische Weise in Kriegsgefangenschaft zu geraten. Glücklicherweise konnte er sich durch eine Flucht wieder daraus befreien. Jedoch fand er zurückgekommen, in das von Franzosen besetzte Berlin, keine Anstellung. Erst ein Empfehlungsschreiben des bayerischen Kronprinzen Ludwig I. Karl August (1786–1868), an seinen Vater König Maximilian I. (1756-1825) brachte die ersehnte Wende.
Baermanns Talent beeindruckte den König derart, dass er ihm unverzüglich eine Stelle in seiner Hofkapelle anbot. Für die Inszenierung von zwei Opern wurde die bekannte Sopranistin Helena Harlas (1785-1818) engagiert. Schnell freundeten sich Baermann und die bereits katholisch-geehelichte Helena an, was in einer tiefen, langjährigen Liebesbeziehung außerhalb der damalig-gesellschaftlichen Normen endete, woraus fünf Kinder entstanden, darunter auch sein Sohn Carl.
Nach dem frühen Tod seiner großen Liebe Helena Harlas, wagte Heinrich den Übertritt zum Protestantismus und heiratete am 19. September 1825 Maria von Calatin.
Baermann konnte sich immer weiter künstlerisch beim Bayerischen Königshaus etablieren, worauf ihm schlussendlich die Stelle eines „Ersten Klarinettisten“ in der Hofkapelle angeboten wurde, die er dankend annahm. Bis ca. 1834 stand er somit als Klarinettist an der Spitze des Bayerischen Königshofs. Besonders seine technische Brillanz und ausgeprägte, künstlerische Inspiration verhalfen ihm zu internationalem Ruhm und Anerkennung. Zwischen 1808 und 1843 führten ihn zwölf Konzertreisen etwa nach London, Paris, Wien, Moskau und Sankt Petersburg. Die in den Lehrwerken immer wieder erhobene Forderung, ein Klarinettist müsse auf seinem Instrument singen, erfüllte Baermann auf eindrucksvolle Weise und er begeisterte so sein Publikum.
Sein künstlerisches Wirken als Klarinettist, zusammen mit den späteren Wegbegleitern und Freunden, wie Carl Maria von Weber und Felix Mendelssohn Bartholdy, trugen einen erheblichen Anteil daran, dass großartige Werke für Klarinette von den zwei Komponisten geschaffen wurden, die Baermann durch sein Können inspirierte (wie z. B. Klarinettenkonzert Nr. 1 in f-Moll op. 73; Carl Maria von Weber oder auch Konzertstück für Klarinette, Bassetthorn und Klavier op. 113; Felix Mendelssohn Bartholdy). Als er am 11. Juni 1847 nach einem turbulenten Leben starb, wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Alten Südfriedhof in München beigesetzt.
Leben und Wirken vom Sohn Carl Baermann
Carl Baermann lernte schon zeitig bei seinem Vater Heinrich Klarinette und ging mit ihm in frühster Jugend, oftmals per Pferd und Wagen auf Konzertreisen. Diese für Carl überaus prägende Zeit schuf wichtige Grundlagen für sein späteres Wirken als Klarinettist, Komponist und Lehrer. Bemerkenswert sei hier, dass zwischen Vater und Sohn immer ein Klima der Selbstdisziplin und Strenge herrschte, ohne dies die virtuos-künstlerischen Leistungen wahrscheinlich nicht möglich gewesen wären. Überdrüssig von den vielen Reisen, die nicht nur inspirierend, sondern auch teilweise zeitraubend und anstrengend waren, beschloss Carl in München zu bleiben. Seine Liebe zum Bassetthorn ließ ihn zu einem ausgezeichneten Bassett-Klarinettisten werden.
Sein ausgeprägtes Interesse am Instrumentenbau, führte ihn 1855 zum Münchener Instrumentenbauer und Hoflieferanten Georg Ottensteiner (1815-1879), mit dem er 1859 die Baermann-Ottensteiner-Klarinette mit 18 Klappen entwickelte. Dies war eine enorme Weiterentwicklung gegenüber früheren Klarinetten. Durch die verbesserte Klappenmechanik konnten ab jetzt technisch-anspruchsvollere Musikstücke gespielt werden, womit der Klarinettist Richard Mühlfeld (1856-1907) später auch Werke von Johannes Brahms aufführte.
Auch als Komponist und Klarinettenlehrer wirkte Carl Baermann. Seine Klarinettenschulen; op. 63 und op. 64; sind auch noch heute ein wichtiger Bestandteil beim Klarinettenunterricht. In den zahlreichen Etüden wird der Schüler pädagogisch-geschickt durch die jeweiligen Dur- u. Molltonarten geführt, um systematisch technisch- u. musikalische Fortschritte zu erreichen.
Großes Augenmerk richtete Baermann hier auch auf die Tonentwicklung. Nach seiner Meinung spricht der „Künstler durch den Ton zu seinen Zuhörern“; oder der Ton soll „schön und edel“ sein; auch ein fingertechnisch perfekt vorgetragenes Stück ist ohne gepflegten Ton künstlerisch wertlos. Dem ist auch aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen. Am 24. Mai 1885, starb Carl Baermann ebenfalls wie sein Vater in München. Ein großer Verlust, der doch durch sein Wirken auch noch heute sichtbare Spuren in der Klarinettenwelt hinterlassen hat.
Hörbeispiel und YouTube Video mit Kopie einer Baermann-Ottensteiner-Klarinette „Romanze aus der Baermann Klarinettenschule“
Es kommt nicht oft vor, dass ich die Bühne gegen die Sitzreihen in einem Konzertsaal tausche und mich unter das Publikum mische. Ergibt sich aber die Möglichkeit, einem der letzten Klarinetten-Größen, die unter Karajan jahrzehntelang gedient haben, bei einem Konzertnachmittag einen Besuch abzustatten, ist es für mich hier nahezu unmöglich, nein zu sagen. So geschehen am 10. Oktober 2021 auf Schloss Ribbeck in der Nähe von Berlin.
Für die meisten ambitionierten Klarinettisten gilt der Name „Karl Leister“ immer noch als ein Synonym für deutsche Klarinettenkultur in höchster Perfektion. Im Gegensatz zu anderen Berufsmusikern, die mit dem Eintritt ins Rentenalter ihr Instrument für immer und ewig in die Ecke stellten, beweist Karl Leister als Vollblutmusiker, dass es auch anders geht, und dies alles mit unfassbaren 84 Jahren! Allein schon die Tatsache, sich im hohen Alter aus Liebe zur Musik und zu seinem Publikum immer noch auf die Bühne zu stellen, gebührt ihm größtem Respekt und Hochachtung.
Karl Leister wurde 1937 in Wilhelmshaven geboren, sein Vater war Bassklarinettist beim Rias-Symphonieorchester und er zeigte seinem Sohn die ersten musikalischen Schritte auf der Klarinette. Diese prägende Zeit schuf die Grundlagen für seine spätere Karriere. Karl Leister kann auf eine Musiker-Laufbahn zurückblicken, die ihresgleichen sucht. 34 Jahre lang (von 1959 bis 1993), war er Solo-Klarinettist bei den Berliner Philharmonikern – und 30 Jahre lang „Karajans Klarinettist“. Kenner wissen, dass Karajan erbarmungslos 120 % von seinen Musikern forderte und meistens noch mehr. Nach oben gab es keine Grenzen, was schlussendlich auch den Erfolg der Berliner Philharmoniker begründete. Über Karajan, seinen „Vater in der Musik“, könnte Karl Leister ellenlange Geschichten erzählen. Etwa, dass sich der Stardirigent öfters John-Wayne-Videos ins Hotel Kempinski schicken ließ. Er liebte diese Art von Western-Heldentum.
Die Leister-Aura, einer Musiker-Seele par excellence, war auch wieder auf Schloss Ribbeck zu spüren. Gezeichnet vom Alter, konnte man trotzdem bei jedem Musikstück immer wieder das Aufflammen der musikalischen Leidenschaft Leisters spüren, welche dem dankbaren Publikum einen unvergesslichen herbstlichen Musik-Nachmittag bescherte.
Gespielt wurden u. a. Nielsen (Fantasie in g-moll), Schubert (Der Neugierige, Wohin, Ave Maria, Ständchen), Beethoven (Adelaide), Strauss (Romanze), Mendelssohn (Hirtengesang), Rossini (Fantasie in Es-Dur); die liebevoll ausgewählten Stücke spiegelten eine kleine musikalische Reise, vom kühlen Dänemark bis zum sonnenverwöhnten Italien wieder. Der talentierte Pianist Viller Valbonesi begleitete den Meister der Klarinette in überaus behutsamer und sehr einfühlsamer Form. In den kleinen eingefügten Pausen begeisterte Valbonesi das Publikum mit grandiosen Klavier-Solos wie Schumann (Romanze op 28 Nr. 2), Brahms (Intermezzo op 117 Nr. 1), Beethoven (Bagatella op 126 Nr. 4).
Besonders die letzten Stücke zauberten beim einen oder anderen eine Träne in die Augen und auch beim Meister selbst. Es klang alles wie Abschied eines großen Klarinettisten von Weltruf.
Für ambitionierte Klarinettisten ist der Name „Herbert Wurlitzer Klarinetten“ in den meisten Fällen kein „Neuland“, sondern damit werden automatisch Instrumente mit überragenden Qualitäts-Eigenschaften verbunden. Quasi die Luxusklasse im Klarinettenbau.
Weniger bekannt ist, dass es ein beschwerlicher, teilweise dramatischer Weg bis zum Erfolg war, der noch bis heute andauert. Hineingeboren in die politischen Wirren des letzten Jahrhunderts, welche vielen Menschen die Existenz raubte, schaffte es Herbert Wurlitzer und seine Familie mit viel Ehrgeiz, handwerklichem Können und auch dem Quäntchen Glück, eine Klarinettenmanufaktur mit Weltruf aufzubauen, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Dabei ist gerade die Familiengeschichte, welche von Flucht, Neuanfang und überwältigendem Erfolg gekrönt wurde, teilweise spannender als jede Hollywood-Verfilmung. Die Realität schreibt eben die besten Storys. Nachfolgend möchte ich hier über die Familiengeschichte der Wurlitzers schreiben, die dem Leser erste Einblicke über das Schaffen und Wirken Herbert Wurlitzers und seiner Familie erlaubt. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Geschichte der Wurlitzer‘s geht bis in 17. Jahrhundert zurück, ein früher Vorfahre, Nicholas Wurlitzer (geb. im Jahr 1659), stellte Lauten her. Sein Nachfahre, Franz Rudolph Wurlitzer (geb. am 1. Februar 1831 in Schöneck, Sachsen; gest. am 14. Januar 1914 in Cincinnati, Ohio) stellte in den USA sehr erfolgreich die unterschiedlichsten Musikinstrumente, wie z. B. Trommeln und durch Münzeinwurf betriebene Klaviere her, die Vorgänger der bekannten Jukeboxen. Wahrscheinlich war auch gerade diese Erfolgsstory in den Vereinigten Staaten Aufgabe und Ansporn für alle nachfolgenden Wurlitzer-Generationen, die sie zu überragenden Leistungen befähigten.
Fritz Wurlitzer, Herberts Vater, fertigte in Erlbach Klarinetten von schon damals überragender Qualität. Als die DDR, geprägt vom Gedanken des sozialistischen Volkseigentums, die Produktion von privat gefertigten, hochwertigen Instrumenten immer weiter erschwerte, entschlossen sich Herbert Wurlitzer und seine Frau Ruth zur Flucht in den Westen. Zusammen mit den beiden Kindern, Gudrun und Ulrich, flohen sie in einer nicht ungefährlichen Nacht- u. Nebelaktion über Westberlin nach Franken, um den erhofften Neubeginn zu wagen.
Mit dem PKW-Wartburg von Herberts Vater, Fritz Wurlitzer, fuhren sie bis nach Potsdam und warfen immer wieder wehmütig einen Blick aus den Fenstern des Autos auf ihre Heimat, die sie jahrzehntelang nicht wieder sehen sollten. Von Potsdam fuhren sie mit der S-Bahn nach Berlin-Friedenau und stiegen dort aus. Bemerkenswert sei hier noch die Tatsache, dass vor dem Mauerbau eine S-Bahn quer durch Westberlin in den östlichen Teil der Stadt fuhr. Das Aussteigen im Westteil Berlins ohne Genehmigung war natürlich untersagt, wurde aber den Fahrgästen nicht unbedingt unmöglich gemacht. Trotzdem war hier Vorsicht geboten, damit der Plan nicht durch Leichtfertigkeiten aufflog. Schon damals gab es für Republikflucht harte Strafen.
Die ersten Nächte verbrachten sie bei einem befreundeten Musiker der Berliner Philharmoniker, flogen dann mit British-Airways nach Hannover in die langersehnte Freiheit. Die folgenden Tage und Wochen müssen für alle Familienmitglieder in Ost u. West sehr dramatisch gewesen sein. Sorgen, Ängste, was nun auch mit Herberts Vater Fritz im Osten passieren, wie die neue Zukunft im Westen aussehen würde, begleiteten alle Beteiligten. Das Haus in Erlbach wurde unverzüglich von den Behörden versiegelt. Der teilweise wertvolle Besitz, wie z. B. zwei Bilder des Malers Gotthard Graubner wurde versteigert und ging für alle Zeit verloren.
Doch der große Erfahrungsschatz des Tüftlers und ehemaligen Klarinettisten im Leipziger Gewandhausorchester trugen dazu bei, dass Herbert schnell in seiner neuen Heimat Bubenreuth Fuß fasste und dort eine erfolgreiche Werkstatt eröffnete, die 1964 nach Neustadt an der Aisch verlegt wurde. Die hohe Qualität seiner Instrumente sprach sich schnell herum. Bekannte Klarinetten-Größen wie Karl Leister, Sabine Mayer zählten schnell zu den besten Kunden. Genau auch diese magische Verbindung von Virtuosen, deren Erfahrungsschatz gepaart mit höchsten Ansprüchen, beflügelten den meisterlichen Neustädter Klarinettenbau und schufen von Jahr zu Jahr immer perfektere Künstler-Instrumente, welche die Herzen von Musikern und Publikum wieder und wieder höherschlagen ließen und Klarinetten von Weltruhm hervorbrachten.
Es ist nicht gerade Zufall, dass solche hochwertigen Instrumente in berühmten Orchestern wie z. B. bei den Berliner Philharmonikern, dem Leipziger Gewandhausorchester, vielen namhaften Rundfunkorchestern im In-u. Ausland wegen ihrer schon fast magischen Klangbilder und der überragenden Qualität immer wieder dort zum Einsatz kommen. Dabei bleiben viele Dinge, wie die Perfektionierung von Klappen, Bohrungen, optimierten Tonlöchern, der speziellen Auswahl von passenden Materialien ein gut behütetes Firmen-Geheimnis, das eben auch diese Klangqualität des edlen Wurlitzer-Klanges ausmacht.
Auch hier gilt und galt, vielfach kopiert und trotzdem selten erreicht. Natürlich gibt und gab es auch andere Instrumentenbauer, die sehr hochwertige Instrumente herstellen. Dieser gesunde Wettstreit um die Gunst der Künstler und somit auch des Publikums ist in dieser Hinsicht aber nicht bremsend, sondern eher befruchtend für noch bessere Instrumente und Entwicklungen, die es mit Sicherheit in Zukunft auch geben wird. Lassen wir uns also überraschen, Perfektion kennt keine Grenzen.
Von denen in der Übersicht aufgeführten Personen waren neben Herbert Wurlitzer folgende, als gute Instrumentenbauer bekannt:
Fritz Ulrich Wurlitzer
Arno Wurlitzer
Paul Kurt Wurlitzer
Oskar Clemens Wurlitzer
Teilweise wurden nach dem Tod der alten Meister, die Betriebe noch eine Zeitlang von den Söhnen weitergeführt, die aber auch schon in die Jahre gekommen sind. So geht Stück für Stück ein Teil der Instrumentenbau-Kunst verloren. Was das Unternehmen Herbert Wurlitzer betrifft, so konnten glücklicherweise Frank-Ulrich und Bernd Wurlitzer das Unternehmen weiterführen. Sie schafften es, an die hohe Qualität der Klarinetten auch nach Herberts Tod anzuknüpfen, was für die Klarinettenwelt ein großer Glücksfall war und ist.
Oskar-Neidhardt-Klarinetten, ein Geheimtipp unter Klarinettenfreunden?
Unter der Vielfalt an Klarinetten, deren Herkunft und Qualität gut bis sehr gut dokumentiert ist, gibt es eine, die immer noch zum professionellen Einsatz kommt, aber über die kaum Informationen in der einschlägigen Fachliteratur oder auch im Internet zu finden sind. Die Rede ist hier von der Oskar-Neidhardt-Klarinette!
Vielleicht liegt es auch daran, dass es von diesen Instrumenten nur noch ausgesprochen wenige gibt. Hier und da trifft man mit etwas Glück, noch eine Vertreterin dieser Spezies in Staatskapellen oder bei ambitionierten Sammlern an. Die Wahrscheinlichkeit schwindet aber verständlicherweise von Jahr zu Jahr, ohne Hoffnung auf Besserung. Dabei sind und waren gerade Neidhardt-Klarinetten unter professionellen, ostdeutschen Klarinettisten bis heute sehr beliebt. Selbst nach der Wende wurde, obwohl die Möglichkeit durchaus bestand, eine Oskar-Neidhardt von ihrem Besitzer nicht oder nur selten aus der Hand gegeben. Kenner wissen warum! Der einzigartig, voluminös-bezaubernde Klang des Instruments, nahe am Klangideal der deutschen Klarinette, lässt immer wieder die Herzen von Musikfreunden höher schlagen und trägt dazu bei, dass Neidhardt-Klarinetten immer noch sehr begehrt sind.
Wie schon erwähnt, gestaltet sich die Rekonstruktion der Geschichte und Entwicklung dieses wundervollen Instruments äußerst schwierig, da es fast keine Zeitzeugen mehr gibt und leider auch nur eine geringe Anzahl von aussagekräftigen Dokumenten existieren. Dieses mag vor allem den Kriegsjahren geschuldet sein. Gleichzeitig soll dieser Artikel ein Aufruf an die Fachwelt sein, falls noch in dem einen oder anderen Archiv Dokumente/Informationen zu Oskar Neidhardt schlummern, mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich bin über jeden Hinweis, jede Hilfe, die zum Vervollständigen des Bildes über Oskar Neidhardt und seine Klarinetten beitragen, äußerst dankbar. Aber kommen wir zur Geschichte:
Albert Oskar Neidhardt (Vater: Carl Gustav Neidhardt und Mutter: Auguste Emilie Neidhardt, geb. Lorenz), erblickte am 20. Mai 1873 im sächsischen Schöneck/Vogtland das Licht der Welt. Schöneck ist die höchstgelegene Stadt des Vogtlandes und wird dem sogenannten Musikwinkel zugerechnet. Als Musikwinkel bezeichnet man bis heute die Orte Klingenthal, Markneukirchen, Erlbach und Schöneck. Zusammen mit Schönbach und Graslitz auf böhmischer Seite, waren die Orte das globale Zentrum des Musikinstrumentenbaus. Also beste Voraussetzungen, um außergewöhnlich gute Klarinetten zu bauen.
Neidhardt lernte bei Oscar Adler in Markneukirchen und eröffnete am 17. Oktober 1899 eine Werkstatt für Oboen, Flöten und Klarinetten. Die Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Instrumentenfabrik G. H. Hüller (Gottlob Hermann Hüller), sicherte in den ersten Jahren die Existenz der Werkstatt und sorgte für genügend Aufträge. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Sohn Wilhelm geboren (geb. 1904;† 1986).
Nach 1920 konzentrierte Oskar Neidhardt seine Arbeit vorrangig auf die Entwicklung seiner System-Klarinetten. In dieser Zeit arbeitete er eng mit dem Soloklarinettisten Wilhelm Sadowsky zusammen. Die Eröffnung einer Werkstatt in Mainz unter dem Namen „E. Sadowsky & O. Neidhardt; Werkstatt für feinste Holzblasinstrumente“; schlug jedoch fehl und die Firma wurde schon bald wieder aufgelöst. Die Gründe hierfür sind nicht genau bekannt, jedoch dürfte die große Entfernung von Schöneck nach Mainz nicht unbedeutend gewesen sein.
Die Werkstatt in Schöneck blieb erhalten. Hier produzierte Oskar Neidhardt weiterhin, auch über die Kriegszeiten des 2. Weltkriegs hinaus, seine hochwertigen Klarinetten. Nach und nach wuchs sein Sohn Wilhelm in die Firma hinein und übernahm sie letztendlich nach dem Tod seines Vaters (8. November 1966).
Im Jahr 1975 übergab Wilhelm Neidhardt die Werkstatt seinem talentierten Neffen Eberhard Scherzer (geb. 1944), der nach der Lehre bei seinem Onkel Wilhelm selbst die Meisterprüfung im Holzblasinstrumentenbau ablegte. Onkel Wilhelm erkannte schnell das Potenzial von Eberhard und sorgte dafür, dass sein Neffe alles Notwendige erlernte, um Klarinetten meisterhaft zu bauen, reparieren und zu restaurieren. Später wurde Eberhard noch zu DDR-Zeiten der Titel „Anerkannter Kunsthandwerker“ verliehen.
Wissenswert ist auch die Tatsache, dass die Firma Oskar Neidhardt selbst zu DDR-Zeiten immer eigenständig blieb und nicht in Volkseigentum überführt wurde. Wahrscheinlich lag es auch an der geringen Stückzahl, der qualitativ sehr hochwertigen Instrumente, die einfach nicht kurzfristig massentauglich waren. Außerdem gab es ja schon den Volkseigenen Betrieb B&S, der in hoher Stückzahl den Instrumentenmarkt der DDR, sowie das sozialistische aber auch kapitalistische Ausland, mit guten Instrumenten versorgte.
So blieb das Unternehmen Neidhardt ein kleiner, feiner, unscheinbarer Diamant im Klarinettenbau der Deutschen Demokratischen Republik.
Eberhardt Scherzer
Herr Scherzer leitete sehr erfolgreich die Werkstatt bis zum Jahr 2006. Dann ging er wegen einer Krankheit in den wohlverdienten Ruhestand. Zusätzlich sei bemerkt, dass Holzblasinstrumentenbau-Meister Herr Eberhard Scherzer, trotz seines fortgeschrittenen Alters, immer noch sehr freundlich und hilfsbereit ist, wenn es um Fragen rund um sein Lebenswerk „Neidhardt-Klarinetten“ geht. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung und hatte die Ehre, im Februar 2021 mit ihm zu telefonieren. Hier möchte ich ihm in aller Öffentlichkeit noch einmal ein großes Lob aussprechen.
Mit etwas Glück, konnte ich ein wunderschönes Oskar-Neidhardt-Solisteninstrument, gebaut in den 50er Jahren erwerben. Das Instrument wurde vom Meister persönlich gefertigt. Besonders interessant ist an diesem Modell der abstellbare Cis-Triller, zu sehen auf dem Foto als Steg zwischen Unter- u. Oberstück. Laut Herrn Scherzer gibt es in Deutschland von diesem Modell nur noch sehr wenige.
Die Oehler-Klarinette (kurz Oehler-System genannt), bildet bis zum heutigen Tage, die mechanische und akustische Grundlage der meisten Klarinetten in deutscher Bauweise. Ihr Schöpfer, Oskar Oehler, schuf damit in unvergleichlicher Perfektion die moderne deutsche Klarinette, welche besonders durch ihren einzigartigen Klang für weltweite Anerkennung sorgte. Die Oehler-Mechanik wird bis heute unverändert von vielen Herstellern deutscher Klarinetten gebaut. Sie zählt als Standard für professionelle Instrumente und als letzte große Entwicklungsstufe der deutschen Klarinette.
Der nachfolgende Artikel, befasst sich mit dem Lebenslauf von Oskar Oehler (geb. am 2. Februar 1858 in Annaberg (Erzgebirge); † 1. Oktober 1936 in Berlin) und soll dem Leser Einblicke in dessen Wirken als Künstler, Instrumentenbauer sowie als Mensch geben.
Elternhaus und Kindheit:
Oskar Oehler wurde als Sohn eines Webers (August Friedrich, geb. am 26. Mai 1830; † 23. November 1914), und seiner Mutter Frau Christiane Eleonore (geborene Störzel; geb. am 24. November 1827; † 18. Dezember 1870) unehelich am 2. Februar 1858 im sächsischen Annaberg (Erzgebirge), südwestlich von Dresden geboren. Die Hochzeit war zu diesem Zeitpunkt schon in Vorbereitung, konnte aber erst nach der Geburt Oehlers wegen bürokratischen Hindernissen vollzogen werden. So ersuchte sein Vater August Friedrich für sich und seine Verlobte Christiane Eleonore im Oktober 1857, die Erteilung des Bürgerrechts in Weida, ohne das eine Trauung in der damaligen Zeit nicht möglich war. Die Erlaubnis hierzu erhielt er aber erst am 4. Januar 1858.
Am 15. Februar 1858 wurde Oehler in Annaberg getauft. Er wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf, das sollte sich aber noch als Segen herausstellen, da er daraus die Kraft und Motivation für seine spätere Tätigkeit als Klarinettist und Tüftler schöpfte. Trotz umfangreicher Bemühungen durch seinen Vater August (jener erwarb 1859 das Meisterrecht als Webermeister), seine Familie zu ernähren, kam es in dieser schwierigen Zeit immer wieder zu kritischen, wirtschaftlichen Tiefpunkten. So schrieb der Vater am 2. Oktober 1861:“Die Arbeit geht jetzt so schlecht, dass ich nicht einmal das Brot für mich und meine Familie erschwingen kann“. Seine zeitweise Tätigkeit 1862 im Chausseenbau, spülte wenigstens in dieser Zeit einige Taler in die Haushaltskasse und konnte so die größte Not der Familie etwas lindern.
Die Kindheit und Jugend Oehlers war geprägt, von großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüchen. So setzte sich in jener Zeit immer mehr die Industrialisierung durch. Die feudale Ständeordnung wurde zunehmend von einer Gesellschaft mit mehr Bürgerrechten abgelöst. Als Antwort auf die politischen Änderungen, die als Folge der Französischen Revolution zu verstehen sind, hatten zahlreiche europäische Geschlechter des Hochadels ebenfalls Reformen in ihren Territorien eingeleitet. Trotz der napoleonischen Niederlage, blieben doch viele bedeutsame Änderungen bestehen und schufen die Grundlagen für eine bürgerliche Gesellschaft. Hineingeboren, in diese harte und doch sehr spannende Zeit, voller neuer Ideen, Inspirationen, Not und Umbrüchen, versuchte Oskar Oehler seinen Weg zu finden, was ihm auch letztendlich gelang.
Jugend und Ausbildung:
Geprägt durch die große Not der vergangenen Jahre, entschloss sich Oehlers Vater, August Friedrich, seinen Sohn das Handwerk eines Orgelbauers erlernen zu lassen. Die Hoffnung hierbei ruhte auf der Annahme, dass Oskar so vor dem Schicksal der Armut bewahrt bliebe, da der Orgel- wie auch Instrumentenbau im 19. Jahrhundert vom Aufschwung ergriffen war.
Diese Entscheidung sollte sich im Nachhinein noch als äußerst nützlich entpuppen, da Oehler in seiner Lehre als Orgelbauer auch handwerkliche Fähigkeiten erlernte, die ihm beim Bau und der Entwicklung des Oehler-Klarinetten-Systems sehr nützlich waren. Besonders die Gestaltung und Bearbeitung der Orgelpfeifen und die Optimierung ihres Klanges, dürften ihm eine große Hilfe beim Klarinettenbau gewesen sein.
Mit 15 Jahren kam Oehler im sächsischen Weida, bei Orgelbauer Wilhelm Herrmann Schilling in die Lehre. Dies ist zwar nicht zu 100 % verbürgt, jedoch liegt die Annahme sehr nahe, da Schilling in dieser Region der einzige Vertreter im Orgelbau war. Während seiner Lehre, konnte Oehler sich wie schon erwähnt, große Kenntnisse im Instrumentenbau speziell beim Bau von Orgelpfeifen aneignen.
In der Lehrzeit beschäftigte sich Oehler auch mehr und mehr mit dem Musizieren auf der Klarinette. So konnte er damit einerseits seine Freizeit sinnvoll verbringen, andererseits brachte ihn das Klarinetten-Spiel auf wundersame Art und Weise dorthin, wozu ihn sein Schicksal bestimmt hatte, der Entwicklung eines großartigen Klarinetten-Systems mit internationaler Anerkennung. Ein weiterer Schritt war die Mitgliedschaft in der Stadtkapelle Weida. Hier sammelte Oehler seine erste, prägende Orchestererfahrung in einem stadtbekannten Laien-Klangkörper. Auch das trug zu seiner persönlichen und musikalischen Entwicklung erheblich bei.
Seine außergewöhnlichen guten Leistungen auf der Klarinette sprachen sich schnell herum. Schon bald erhielt Oehler ein Engagement beim Theaterorchester Halle. Sein Bekanntheitsgrad stieg schnell und auch andere Orchester wurden auf ihn aufmerksam. So führte ihn seine musikalische Laufbahn nach Nizza (durch Müller-Berghaus) über das Hamburger Laube-Orchester schlussendlich nach Berlin. Dort soll er Mitbegründer des Berliner Philharmonischen Orchesters gewesen sein, dem er von 1882 bis zum Jahre 1888 angehört hatte. Leider ist es aber auch so, dass viele Aufzeichnungen durch die nachfolgenden Unruhen und Kriegsjahre für immer verloren gegangen sind. Meine Recherchen deuten aber stark darauf hin, dass die Laufbahn von Oehler so, oder so ähnlich erfolgt sein muss.
Prägend waren auch in dieser Zeit Kontakte zu dem hervorragenden Friedrich August Neff (Hofkapelle Kassel) oder auch Carl Ludwig Wilhelm Baermann, dem berühmten Klarinetten-Virtuosen aus München (geb. 24. Oktober 1811; † 24. Mai 1885). Spohr selbst schrieb nebenbei bemerkt einmal über Neff:“Daß Herr Neff, der erste Clarinettist unserer Hofkapelle, nicht nur ganz unfehlbar seinen Platz im Hoftheaterorchester ausfüllt, und die da vorkommenden Soli immer unter großem Applaus des Publikums vorträgt, sondern auch ein ausgezeichneter Virtuose seines Instruments ist und z.B. meine für Hermstedt geschriebenen Clarinett-Kompositionen in höchster Vollendung vorträgt, wird demselben hiermit der strengsten Wahrheit gemäß bescheinigt. Louis Spohr. Kurhessischer Generalmusikdirector. Cassel den 31sten Januar 1858″.
In dieser Zeit führte Oehler quasi ein Doppelleben. Einerseits befasste er sich mit der Herstellung von Mundstücken und der Verbesserung der Klarinette, andererseits war er sehr aktiv als Klarinettist bei den Berliner Philharmonikern tätig. Nach reiflicher Überlegung entschied er sich 1887 für den Bau von Klarinetten und gründete seine eigene Berliner Werkstatt. 1888 beendete Oskar Oehler seine ständige Mitgliedschaft bei den Berliner Philharmonikern, zum großen Bedauern seiner dortigen Musiker-Kollegen. Er hatte seinen Weg gefunden!
Werkstatt und weitere Lebensabschnitte bis zum Ersten Weltkrieg:
Die bereits im Jahre 1887 von Oskar Oehler errichtete Klarinetten-Werkstatt in der Alvenslebenstraße 24, in Berlin-Schöneberg, gewann schnell an Bekanntheit. In der Anfangsphase glänzte Oehler vor allem mit dem Bau von hochwertigen Mundstücken, die sehr beliebt waren. Hier konnte er mit seinen Erfahrungen im Orgelpfeifenbau punkten. Im Jahr 1890 zog Oehler dann in seine neue Werkstatt in die Katzlerstraße 8 um, die nur ca. 800 m von der alten entfernt war. Erstaunlich war vor allem die Tatsache, dass er schon zu diesem Zeitpunkt Klarinetten, Fagotte, Kontrafagotte, Flöten, Piccoloflöten, Oboen und Englischhörner anbot. Woher er dieses umfangreiche Wissen, in so kurzer Zeit hatte, bleibt nur reine Spekulation. Vermutet wird aber, dass Oehler sich schon frühzeitig, d. h. viele Jahre vor der Werkstatteröffnung mit dem Bau und der Entwicklung von Holzblasinstrumenten in seiner Freizeit befasst hatte. Außerdem gibt es die Annahme, dass er Maschinen und schon vorgefertigte Instrumente von anderen Werkstätten bezog. Diese wurden dann mit erfahrenen, geworbenen Mitarbeitern bis zur Perfektion unter seiner Anleitung optimiert. Nur das erklärt seinen plötzlichen Vorsprung, gegenüber anderen Instrumentenbauern. Unbestritten ist jedoch, dass die Basis zur Entwicklung des Oehler-Systems die Baermann-Ottensteiner-Klarinette darstellte. In einer der wenigen Werbeschriften von 1888 verwies der Meister eindeutig darauf, dass es sich bei seiner Klarinette um eine Weiterentwicklung der Baermann-Ottensteiner handelt.
In den ersten Jahren versuchte Oehler noch mit Werbung für seine Werkstatt Aufmerksamkeit zu erringen. Schon bald war dies nicht mehr notwendig, und sein Geschäft ein Selbstläufer. Die Nachfrage stieg von Tag zu Tag, Anfragen aus Hamburg, Oldenburg, Schwerin bis hinunter Köln und sogar dem fernen München sorgten für eine klingelnde Kasse. Das alles nur durch reine Mundpropaganda bedingt durch eine, für die damalige Zeit, überragende Qualität. Willige Helfer fanden sich schnell, namhafte Musiker, wie z. B. der Königliche Kammervirtuose Pohl oder auch der Königliche Kammermusikus Schubert äußerten sich „höchst lobend“ über die Arbeiten des Meisters. Dies trug am Schluss dazu bei, dass am 16. Juli 1906 Oehler der Titel eines „Kaiserlich und Königlichen Preußischen Hoflieferanten“ verliehen wurde. Als gerichtlich vereidigter Sachverständiger für Holzblasinstrumente, war Oehler außerdem tätig. Seine Sachkenntnisse galten auch vor Gericht als sehr wertvoll.
Bis zum Jahr 1914 eilte Oehler mit seiner Werkstatt von einem Erfolg zum Nächsten. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es natürlich auch bei ihm zu Geschäftseinbußen, die sich aber bedingt durch die überragende Qualität seiner Instrumente im überschaubaren Rahmen hielten.
Hier eine Aufstellung der wichtigsten Mitarbeiter Oehlers:
– Johann Voigt bis ca. 1890 – Richard Wunderlich bis ca. 1903 – Josef Rouschil ab 1903 bis ca. 1963
Insgesamt wurden zeitweise bis zu 10 Mitarbeiter, je nach Auftragslage, in Oehlers Werkstatt beschäftigt. Hervorzuheben sei noch, dass Oehler bereits seit 1888 enge Geschäftsverbindungen zur Firma und dem Holzblasinstrumentenmacher Friedrich Gustav Uebel pflegte. Das erklärt auch, die schnelle Entwicklung von Oehlers Werkstatt. Eine sich immer wieder gegenseitig, inspirierende, langjährige Partnerschaft war geboren.
Abnehmer der beliebten Oehler-Instrumente waren fast alle größeren deutschen Militär-Orchester, Hof u- Staats-Orchester, sowie große Orchester in Amerika (New York, Chicago, Boston). Die Übergabe der wertvollen Instrumente erfolgte oftmals persönlich.
Leben und Wirken nach dem Ersten Weltkrieg bis zu seinem Tode 1936:
Die schweren Nachkriegsjahre des Ersten Weltkriegs, bedeuteten auch für Oehler und seine Werkstatt zunächst harte Einschnitte. Besonders die Inflationszeit bis 1923 hatte auch für seinen Instrumentenbau erhebliche Konsequenzen. Zwar brach die Nachfrage nach seinen Instrumenten nicht komplett zusammen, jedoch mussten sich viele Orchester und Musiker aus finanzieller Not heraus, dem Spardiktat unterwerfen. Neuanschaffungen wurden zunächst einmal in die ungewisse Zukunft verschoben. Nur dem außergewöhnlich guten Ruf Oehlers war es zu verdanken, dass sein Geschäft diese Zeit halbwegs überstand.
Bis zu seinem Tod 1936, hieß es nun für Oehler immer „Arbeiten unter erschwerten Bedingungen“. Erster Weltkrieg, Inflation, Weltwirtschaftskrise und dann die Machtübernahme der Nationalsozialisten schufen ein schwieriges Arbeitsumfeld. Über seine Rolle im Nationalsozialismus und politische Einstellung war in Aufzeichnungen, trotz intensiver Recherche nichts herauszufinden. Spekulationen ins Blaue hinaus, dienen oftmals nicht zur Wahrheitsfindung. Deswegen wurde dieses Thema hier weitgehend ausgeklammert. Denkbar hier wäre jedoch die Annahme, dass Oehler allein schon aufgrund seines Alters, die politische Entwicklung Deutschlands eher mit gebürtigem Abstand betrachtet hat, und sich in seinen letzten Jahren, vorrangig dem Bau und der Entwicklung seiner Oehler-Klarinetten widmete.
Oehlers Tod 1936 erschütterte die deutsche und auch internationale Musikwelt schwer, mit Josef Rouschil war jedoch ein fähiger und würdiger Werkstatt-Nachfolger gefunden, der das erfolgreiche Oehler-Klarinetten-System bis zum Jahr 1963 dort weiter baute.
Einen klassischen Klarinettenton zu entwickeln, ist das Ziel vieler Klarinettistinnen/Klarinettisten. In diesem Fachbeitrag möchte ich für den Leser einige Wege aufzeigen, wie dieses Ziel schnellstmöglich erreicht werden kann. Wichtig ist hier zu wissen, dass kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht, da die Tonbildung immer auch ein sehr individueller Entwicklungsprozess ist, der mit den unterschiedlichsten Mitteln verfolgt werden kann.
In den ersten drei Klarinetten-Unterrichtsjahren wird oftmals schon der Grundstein gelegt, der sich gravierend auf die weitere instrumentale Entwicklung des Lernenden auswirkt. Einstudierte grobe Fehler lassen sich später, wenn überhaupt, nur noch mit größter Mühe korrigieren. Besonderes Augenmerk sollte deswegen von Anfang an auf die richtige Atmung und Spieltechnik gelegt werden. Sie sind die Grundlage für schnelle Erfolge!
Die Klangvorstellung:
Um sich überhaupt erst einmal im Klaren zu sein, welches Ton-Ziel verfolgt werden soll, muss die Klangvorstellung bei jedem Studenten/Schüler intensiv entwickelt werden. Dies kann durch analytisches Hören von entsprechender Musik, aber auch der Auswertung von selbst gespielten Instrumental-Aufnahmen erfolgen. Durch später genannte Optimierungen, kann so Zug um Zug der Klarinettenton immer näher an das Tonideal herangeführt werden. Dabei geht es nicht darum, genauso zu klingen wie bekannte Klarinettengrößen, sondern dem Ton die gewisse voluminöse, klassische Farbe zu geben, ohne dabei den individuellen Klang aus den Augen zu verlieren. Auch hier zählt Vielfalt und nicht Eintönigkeit.
Das Blatt:
Generell lässt sich sagen, dass für den klassischen Ton eher schwerere Blätter geeignet sind als leichte. Das begründet sich aus deren Schwingungsverhalten. Leichte Blätter klingen eher dünn, sprechen dafür gut an. Schwere Blätter klingen eher voll, neigen aber auch zum Rauschen. Hier gilt es einen Kompromiss zu finden, der die Vorteile von leichten und schweren Blättern in sich vereint. Ganz entscheidend ist hier auch das Mundstück, besonders dessen Form und Länge der Bahn, auf die wir noch später zu sprechen kommen. Welche Blattstärke am besten geeignet ist, richtet sich auch hier nach dem Mundstück, dem Trainingszustand des Ansatzes sowie anatomischen Gegebenheiten wie Mundform u. Lippenspannung. Hier sollte sich der Schüler langsam an das Optimum herantasten, ohne jedoch zu übertreiben. Ziel sollte ein leichtes Ansprechen des Instruments sein, damit die Spielfreude nicht getrübt wird. Was sich bei meinen Schülern und mir besonders bewährt hat, sind Mundstückübungen mit sehr schweren Blättern, die am Anfang jeder Probe durchgeführt werden sollten. Empfehlenswert ist hier ein Zeitrahmen von ca. 10-15 Minuten. Durch diese Übungen, werden Ansatz und Atmung intensiv trainiert. Diese Übungen können entweder nur mit dem Mundstück (mit der Birne) oder auch zusammen mit der Klarinette durchgeführt werden.
Das Mundstück:
Neben dem Blatt, nimmt das Mundstück eine Schlüsselposition bei dem Gestalten der Klangfarbe und Intonation ein. Material und Form wirken sich stark auf das Schwingungsverhalten der Luft aus. Besonders bewährt, haben sich hier Klarinettenmundstücke aus Kautschuk oder Acryl die angenehm zu spielen sind und zusammen mit einem geeigneten Blatt einen warmen Ton erzeugen. Da sie recht langlebig sind, kann man an ihnen bei entsprechender Pflege viele Jahre Freude haben. Andere Materialien wie Metall, Plastik oder sogar Glas konnten in Hinsicht der klassischen Klanggestaltung (noch) nicht überzeugen. Holzmundstücke wären ideal, sind aber anfällig für unerwünschte Verformungen, da Holz ständig arbeitet. Versuche mit hochverdichtetem Kautschuk waren/sind auf den ersten Blick vielversprechend, konnten sich aber bis jetzt noch nicht in der Breite durchsetzen. Besondere Auswirkung auf den Ton hat auch die Gestaltung des Mundstücks. Die Bohrung, sollte zusammen mit der Birne und Klarinette eine Einheit bilden. Abweichungen können unerwünschte Luftverwirbelungen auslösen, die den Ton negativ beeinflussen.
Das Instrument:
Natürlich hat auch das Instrument einen großen Einfluss auf die Klangfarbe. Der typische Wurlitzer-Klang, ist das Ergebnis von jahrelanger intensiver Optimierung der Klarinette und verkörpert das Klangideal der klassischen Klarinette. Von vielen kopiert aber nur von wenigen erreicht, so könnte man es in Kurzform beschreiben. Welches Instrument am besten für den Schüler geeignet ist um das ideale Klangergebnis zu erreichen, lässt sich nicht so einfach sagen. Jeder hat andere anatomische Voraussetzungen, die bei der Auswahl der Klarinette in Betracht zu ziehen sind. Hier hilft es nur, die unterschiedlichen Modelle einfach auszuprobieren. Oftmals verrät schon das erste „Spielgefühl“ ob das Instrument zu einem passt oder nicht. Die Modellsuche sollte aber frühestens drei bis fünf Jahre nach dem Unterrichtsbeginn erfolgen. Nur so kann der Schüler das Instrument richtig bewerten.
Die Atmung:
Oft erwähnt aber nicht immer beachtet. So könnte man das Thema Atmung beschreiben. Es ist die „Seele“ des Tons. Durch eine schlechte, flache Atmung kann selbst mit dem besten Material, kein schöner Ton erzeugt werden. Sie ist sehr wichtig, wird aber leider von vielen Bläsern nicht genügend beachtet. Durch intensives Training der Zwerchfellatmung, kann hier die Luftführung optimiert werden und auch Ausdauersport (wer hätte das gedacht), kann hier zu einer Verbesserung beitragen. Mit einer schlechten Atmung dagegen, klingt der Ton dünn, schwankt und hat wenig Klangfülle. Man sollte sich deswegen immer wieder die Wichtigkeit, einer guten Zwerchfellatmung bewusst machen.
Psychologie:
Viele Handlungen im täglichen Leben laufen unterbewusst ab. Ohne groß nachzudenken werden selbst komplizierte Aufgaben einfach so erledigt. Und das gilt auch für das Spielen auf der Klarinette. Hier sind wir wieder beim oben erwähnten Thema Klangvorstellungen. Nur wenn sich der Schüler intensiv mit seinem Tonideal auseinandersetzt, dies erkennt und auch verinnerlicht, wird er seinen Klarinetten-Klang Schritt für Schritt verbessern können. Dies kann nur durch intensives Üben, analysieren, intensives Üben, analysieren usw. erfolgen. So werden Verhaltensmuster antrainiert die dafür sorgen, dass wichtige Grundlagen wie Atmung, Ansatz, Spieltechnik unterbewusst ablaufen und der Schüler/Student seine Aufmerksamkeit auf die musikalische Gestaltung lenken kann. Jedem sollte klar sein, dass dies ein langwieriger Entwicklungsprozess ist, der nicht innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen abgeschlossen sein kann.
Klarinette Spohr/ Debussy Louis Spohr Konzerte 3 und 4, Allegro aus Nr. 2, sowie Claude Debussy Premiere Rhapsodie, aufgenommen 2015/2016 74ig jährig, gespielt auf einer Gustav Mollenhauer Klarinette, Cassel 1922
Mit Beginn des sechsten Lebensjahrzehnts, bemerkte ich im 3. Register erste Anzeichen, der für das Oehler Konzept typischen Alters-Helle. So regte mich der Wiener Klarinettenklang, zu einem Versuch an.
Die Wiener Reform-Bahn: Die Bahnkurve beginnt vor dem Schnurrand, daher entfallen die Druckpunkte. Der tiefste Teil der Mulde befindet sich am Beginn der Auflage. Da diese stärker ausgeprägt ist als beim Oehler Konzept und das Wiener Blatt stärker im Holz gehalten ist, muss der Andruck des Blattes auf die Auflage mit einer Metallbindung erfolgen, anstatt einer Schnur oder einer Bindung aus vergleichbarem Material. Die beiden Schrauben sind zum Rücken des Korpus gerichtet. Das im Material dünn gehaltene Metallband, zum Vermeiden von Verspannung, passt sich flexibel jeder Form der Blattrinde an.
Das Ende, der im Verlauf zum Tisch hin flacher werdenden Mulde, geht über in die Wippe, die vor dem Schnurrand liegt. Diese ist je nach Bahnöffnung an der Spitze, unterschiedlich lang.
Der Ansatzdruck bei der Wiener Reform-Bahn, ist trotz des im Holz starken Blattes geringer, als beim Oehler-Konzept, insbesondere im 3. Register. Der Luftstrom muss stärker sein. Gleichzeitig ist der Ansatzdruck auf den Beginn des Ausstichs zu zentrieren. Bei der Wahl der Bahn und der Blattstärke, ist die Luftannahme ein entscheidendes Kriterium. Die Bohrung des Wiener Mundstücks beträgt am Zapfen 15,4 mm und ist am Übergang in die Kammer, ein 10/mm weiter, als bei der vergleichbaren größten Oehler-Bohrung. Es empfiehlt sich, beim Spielen der Wiener Reform-Bahn, auf dem deutschen System, die Wiener Bohrung beizubehalten.
Gründe: 1. Der Klang. 2. Materialbedingte Intonationsprobleme entstehen nicht, da der Wiener Korpus im Bereich der Bohrung, zum Ausgleich für das größere Volumen, gegenüber dem engeren modernen deutschen Mundstück, 1,5 mm kürzer ist. Der Schnabelbereich ist bei beiden Formen gleich lang. Der Schnabelrücken des Wiener Mundstücks, geht in einem flacheren Winkel in den Korpus über, um ein angenehmes Ansatzgefühl zu gewährleisten bei langen Bahnen.
Akustische Beobachtungen:
Die Auflage der Wiener Reform-Bahn, hat durch die Mulde und die Wippe zwei Zentren, die das Blatt in Spannung versetzen. Das Hauptzentrum am unteren Ende der Auflage, ist weit entfernt vom Ansatzbereich. Daher subjektiv neutral wirkend, obwohl de facto entscheidend für das Schwingen des Blattes. Die Wippe dient dem individuellen Formen des Klanges.
Die große Länge und der flache Verlauf der Bahnkurve, kombiniert mit dem im Holz starken Blatt, ermöglicht schon bei einer Bahnöffnung von 0,71 mm alle Nuancen vom pp bis zum ff. Vergleichbares gilt auch für das Artikulieren, inklusive Staccato.
Im dritten Register klingen die kurzen Griffe so gut wie identisch, mit den langen Griffen.
Beim Kombinieren des Wiener Mundstück-Blatt-Konzepts mit der deutschen Klarinette, entfällt (wie bei der Wiener Klarinette) die Es-Klappe bei: d“‘-dis“‘ und e“‘. Das f‘ mit dem rechten Zeigefinger ergibt ein reines c“‘.
Beim Ausziehen der Birne, wirkt sich der entstehende Hohlraum so gut wie nicht auf das Spielgefühl aus.
In den eingangs erwähnten Youtube-Aufnahmen, habe ich im Begleittext meine Kombination Wien-Deutsch detailliert angegeben. Diese Aufnahmen wären mir ohne, die so einzigartige Verknüpfung von Fertigungsqualität und künstlerischem Feingefühl von Johannes Gleichweit, der auch Solist im ORF Orchester ist, nicht möglich gewesen. Dies gilt gleichermaßen für den Wiener Peter Leuthner.
Streiflichter zur Entwicklung der modernen deutschen Klarinette und den führenden Solisten vor dem Ersten Weltkrieg und der Epoche zwischen den Kriegen.
Der grundlegende Schritt in die Moderne im europäischen Holzblasinstrumentenbau, stellt der „Ringklappen-Mechanismus“ des Flötenbauers Theobald Boehm dar. Selbiger ermöglicht, das Vergrößern/Verkleinern eines Tonlochs durch eine sich automatisch öffnende/schließende Resonanzklappe. Nur die Klarinette, reagierte klanglich positiv auf das Übertragen der Flötenmechanik Boehms. So wurde um 1844 in Frankreich bei Buffet-Crampon, in Zusammenarbeit mit Hyazinthe Glose „la premiere clarinete moderne“ entwickelt, die bis heute in den Grundzügen unverändert ist. Die Baermann-Ottensteiner Klarinette München, könnte man eine Paraphrase dazu mit viel Eigenständigkeit nennen.
Der Klarinettist und spätere Klarinettenbauer Oskar Oehler:
Der aus dem Vogtland stammende Oskar Oehler, war in jungen Jahren Soloklarinettist in verschiedenen Orchestern, zum Beispiel an der Oper im mondänen Nizza, Cote d’Azur. Später dann war er Gründungsmitglied der Berliner Philharmoniker.
In der aktivsten Phase Oehlers als Orchestermusiker, war die Baermann-Ottensteiner, die meistgespielte deutsche Bauweise. Während dieser Zeit, war der transparente Klang des etwa 50 Musiker umfassenden Hoforchesters in Meiningen, unter Hans von Bülow, der Inbegriff an Qualität (Max Reger sehnte sich danach dieses Orchester zu dirigieren). Johannes Brahms, hörte hier erstmals die Soli in seinen Sinfonien von Richard MühIfeId gespielt, für den er später seine Klarinetten-Kammermusik schrieb.
Es ist nicht überliefert, aber vieles spricht dafür, dass Oehler bei der denkwürdigen Erstaufführung des Klarinetten-Quintettes vor großem Publikum, in Berlin, mit Mühlfeld und dem Joachim-Quartett anwesend war. Leider habe ich bei meinen beiden Besuchen bei Heinrich Geuser in Bayreuth nicht daran gedacht, ihn zu fragen, ob er sich an die Äußerungen Oehlers, zu Mühlfelds Interpretation, erinnern könne. Aus einer englischen Besprechung, einer Aufführung in London konnte ich entnehmen, MühIfeId blies mit sprühender Intensität stellenweise mit Vibrato (er begann ja die Musikerlaufbahn als Geiger).
Um die Jahrhundertwende erschien ein Aufsehen erregender neuer Stern am „Dirigentenhimmel“, Arthur Nikisch. Der später als legendär, gefeierte neue Mann am Dirigentenpult der Berliner Philharmoniker, verdankte diesen Ruf vor allem der Gegensatzbildung zu Hans von Bülow, durch die drastische Vergrößerung des Streichkörpers. Der neuartige Orchesterklang war voluminös, durch nunmehr mindestens 80 Musiker auf der Bühne. Daraus ergaben sich auch Konsequenzen für die Bläsersoli, die in dem nun auch größeren Konzertsaal, mit intensiverer Projektion vorzutragen waren.
Dem erfahrenen Klarinettisten Oehler, schlug sozusagen die Stunde, er hatte sein Thema als Klarinettenbauer gefunden; Klang-Optimierung.
In der Anfangsphase wählte er die Befragung als Strategie. Er suchte in München Carl Baermann auf, den Sohn des Inspirators und Solisten der Weber-Kompositionen. Der Gleiche Beweggrund, führte ihn auch mehrfach nach Kassel. Dort leitete seit Jahren der in ganz Europa berühmte Violin-Rivale Paganinis, mit dem „großen Ton“ und Komponist, Louis Spohr die Oper.
Die für Hermstedt komponierten 4 Konzerte, machten ihn zum ausgezeichneten Kenner der Klarinette. Für das Orchester engagierte er die Besten seiner Zeit. Kassel war sozusagen die Hochburg der Klarinettenkultur. Der Klarinettist Friedrich August Neff (Hofkapelle Kassel), war geschätzt für die Fertigung von Mundstückbahnen. Seine „Schienen“ werden heute noch bei Mollenhauer aufbewahrt. Neff war in der Anfangszeit Oehlers wichtigster Berater.
Ein entscheidender Einwand Oehlers gegen die Baermann-Ottensteiner, betraf das Mundstück. Er war überzeugt, dass ein größeres Volumen der Bohrung und der Kammer im Schnabelbereich, den Klang freier und tragfähiger machen würde. Das erwies sich als zutreffend. Zu Lebzeiten Oehlers war die Oper „Der Freischütz“ von C. M. v. Weber immer noch ein besonderes Aufführungsereignis. Die tiefen, schwarzen Töne, der beiden Klarinetten in der Wolfsschluchtszene hatten „Gänsehautmagie“ beim Publikum.
Richard Wagner, der von sich sagte, dass Weber ihm den Weg gewiesen habe, nutzte die Ausdruckskraft tiefer Klarinettentöne unter anderem im „Pilgerchor.“ Der Anfang der 5. Sinfonie von Tschaikovsky, ist ein ganz besonderes Beispiel. So ist es nur zu verständlich, dass Oehler die Klangfarbe der tiefen Töne besonders am Herzen lag, gefolgt von der Sopranlage des 2. Registers. Zur technischen Übersetzung der Idee verringerte er im Unterstück, die bis dahin übliche Länge und Größe der konischen Erweiterung, der Bohrung am Übergang in den Schallbecher. Er wusste natürlich, dass dadurch im hohen Register der Widerstand und in der Folge die Helligkeit des Klangs zunimmt, insbesondere im Tonraum gis’’’ bis C’’’’
Da zu seiner Zeit das „gängige“ Repertoire der Sinfonie- u. Opernorchester von den Klarinettisten, diese fünf Halbtöne selten forderte, da ja Domäne der Querflöten, nahm er das in Kauf. Oehler attestierte Kautschuk-Mundstücken Bahnstabilität, zog aber das lebendige Holz des Klanges wegen vor.
Eine Neuerung durch Oehler ist der Abschied vom Buchsbaumholz der Baermann-Ottensteiner Ära, zu Gunsten des Klanges und der größeren Rissfestigkeit des exotischen Grenadill, aus den Bergregionen von Mozambique in Afrika.
Überliefert ist es nicht, aber es liegt nahe, dass er über das Holzkontor für Grenadill auch auf das kubanische Cocosholz aufmerksam wurde. Die Klangqualität der Mundstücke aus diesem Holz, stellte alles Bisherige in den Schatten; das „Traummundstück“ eines jeden Klarinettisten war geboren, der Ruf Oehlers deutlich gestiegen, man „riss“ sich um ihn. Die magische Aura dieser Mundstücke ist heute noch lebendig.
Ohne Zweifel, ist Oehler entscheidend für das recht plötzliche Erblühen einer begeisternden Klangpoesie der Klarinette. Auf Tonträgern erhaltene Dokumente des typischen Oehler-Klanges: Alfred Bürckner, Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler, Franz Schubert Oktett, Simon Bellison, New York Philharmonie unter Bruno Walter, Brahms, Mahler, Luigi Amodio (auf Oehler-Klang spezifizierte Boehm-Klarinette), Mozart-Quintett und Beethoven, Trio op. 11 „Gassenhauer“.
Ein Dresdener Musikliebhaber, zeigte mir die Besprechung zu einer Aufführung des Reger-Quintetts mit dem Strub-Quartett, die Amodios Klang in den Rang einer „Engelsstimme“ erhob. Als Besonderheit sei hier anzumerken, dass Luigi Amodio zwar selbst nie Oehler spielte, sondern Boehm-System. In Italien erschien damals ein neu entwickeltes Mundstück aus Kristallglas, eine Idee von Cosimo Pomarico, der damit die Solostelle am Teatro Colon in Buenos Aires gewann. Der dunkeltönige Klang, dem deutschen sehr ähnlich, faszinierte also auch den jungen Amodio, Solist de la Scala Milano. Wie es zur Verbindung von Amodio und dem damals international auftretenden Strub Quartett kam, ist mir im Detail nicht bekannt. Naheliegend scheint mir durchaus, dass sich so bekannte Solisten begegneten, sich sympathisch waren und die berühmten Quintette spielen wollten. Das enorm farbenreich-meditative Piano, im Kontrast zur glasklaren, zupackenden Virtuosität, z. B. Brahms f-Moll Sonate, hebt diesen Interpreten in die Zeitlosigkeit. Die noch vorhandenen Kritiken der Kammermusik-Abende sind bewegende Dokumente einer leider nur kurz bemessenen Zeit durch den frühen Tod Amodios mit 40 Jahren.
Bemerkungen zur Bauweise, basierend auf dem Oehler-Satz von Alfred Bürckner, dessen Besitzer ich für einige Jahre war. Diese Instrumente, natürlich mit Deckelmechanik, die die beiden b/f’- Griffe zu Klappengriffen macht, gespielt mit einem Cocosmundstück mit authentischer erster Bahn, sind ein erstaunliches Spiegelbild der Persönlichkeit Oehlers. Es zeigt sich eine patriarchalische Aura. Bis ins Detail hatte er eine klangliche „Leitlinie“ eingebaut, das Mundstück eingeschlossen. Dieses darf nur sehr wenig in den Mund genommen werden, damit der Ansatz auf die Blattspitze zentriert bleibt. Die authentische erste Bahn hat in der Auflage einen leichten Hohlschliff über die Länge, die Mulde ist flach. Die Bahnkurve ist vorwiegend eng; erst im Bereich der Spitze kippt die Kurve und erzeugt eine starke Öffnung.
Ich hatte das Glück, ein ungespieltes Cocos in auffallend rötlicher Tönung vom Enkel eines ehemaligen Lehrlings von Oehler zu bekommen. Dieses hat die beschriebene Bahn. Der Korpus hatte lediglich eine Vorbohrung in der Stärke eines Bleistifts zum Befestigen auf einem Dorn. Der am Zapfen befindliche durchgehende Riss verursachte die Aussortierung. Der Lehrling holte es aus dem Abfall und nahm es an sich.
Geuser erzählte mir über Oehler: Er duzte jeden. Wer eine Klarinette von ihm haben wollte, dem sagte er: „So, du willst eine Klarinette von mir. Na, dann blas mal DAS“ und deutete auf ein Notenblatt an der Wand mit Orchesterstellen. Wenn ihm das Gehörte nicht gefiel, dann sagte er: „Komm im nächsten Jahr wieder“.
Oehler als Idol zeitgenössischer Klarinettenbauer zwischen den Kriegen:
An erster Stelle stehen dessen Landsleute im Vogtland, insbesondere die Manufaktur Friedrich Arthur Uebel, die bis nach Russland Berühmtheit erlangte. Hierfür entscheidend, war Rimsky Korsakov als Generalinspekteur der Konservatorien und der Militärorchester.
Der polnische Klarinettenbauer Warschewsky, entwickelte durch Modifizieren der Bohrung der Uebel-Klarinetten, eine besondere klangliche Handschrift, die in ihrer Individualität Oehler gleichzukommen versuchte.
Im Sinne der Einmaligkeit nehmen die Uebel-Max-Schnabel-Klarinetten der Manufaktur in Markneukirchen, ebenfalls einen besonderen Platz ein. Noch heute wird im Musikwinkel, die durch seinen Tod entstandene Lücke betrauert.
Außerhalb des Musikwinkels (dazu mehr in einem anderen Abschnitt) erlangte vor allem Gustav Mollenhauer, Kassel in den 20er und 30er Jahren internationale Bekanntheit, in den Vereinigten Staaten zum Beispiel. Nach 10-jährigem Aufenthalt in London, dort französische Klarinetten mitbauend, gründete er seine Manufaktur, die im zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern abbrannte. Als der sogenannte „billigere Oehler“ baute er für kleinere Kulturorchester und Militärorchester. Im norddeutschen Raum wurde Richard Müller, Bremen sehr geschätzt.
In die Betrachtungen zum deutschen Klarinettenbau vor dem ersten Weltkrieg und zwischen den Kriegen sind natürlich auch die Anforderungen in den Solowerken, für Klarinette und im Sinfonie- u. Opernorchester zu bedenken.
Der „eiserne Bestand“: MOZART, Konzert K.V. 622, Quintett K.V. 581, BEETHOVEN, 9 Sinfonien, Fidelio, Septett, Gassenhauer-Trio op.11, SCHUBERT, Die Unvollendete, Oktett, Der Hirt auf dem Felsen, BRAHMS, 4 Sinfonien, 4 Kammermusikwerke, WAGNER, Die Opern. Der „Paukenschlag“: RICHARD STRAUSS, Sinfonische Dichtungen und Opern.
Die sprunghaft höheren Anforderungen seiner Partituren, traf die Klarinettisten unerwartet. Richard Strauss, zog den Klang der hohen Lage der Klarinette dem der Flöte vor. Es galt nun die Klarinette ausspielen zu können, bis zum c““ in Kantilenen und Figurationen in allen Tonarten; zum Beispiel die Opern Guntram und Salome.
Geuser erzählte mir: Wenn Richard Strauss in der Oper unter den Linden dirigierte, bedankte er sich stets für die Stelle mit dem c““ das über mehrere Takte vom pp bis ff zu crescendieren ist, um dann in einem Arpeggio con brio auf das tiefe E hinabzustürzen.
Wenn Strauss zum ersten Mal in ein Opernhaus kam zum Dirigieren, sagte er oft in der ersten Probe zu den angespannten Musikern: „Meine Herr’n spieln’s net gar zu akkurat“.
Die Strauss-Opern insbesondere, bewirkten auf der Höhe des Ruhmes von Oehler, ein atmosphärisches Zusammengehen von Klarinettisten und zu Oehler auf Distanz gehenden Klarinettenbauern. Das schrankenlose Einbeziehen der hohen Lage durch Strauss, markiert den Beginn einer neuen Phase im Klarinettenbau; Klang, Intonation und Spielbarkeit bekommen einen neuen Akzent, der nicht zu den klarinettistischen Erfahrungen Oehlers gehörte, aus Altersgründen.
Die von Louis Spohr komponierten 4 Konzerte für den Klarinettisten Hermstedt in der Frühromantik, in denen der Solist öfter bis zum b“‘ und h“‘, in Nr. 2 dreimal bis zum c““ sich aufschwingen muss in Akkorden und Tonleitern, waren nach Hermstedts Tod aus der Mode gekommen; galten als exklusive Werke für einen bestimmten Solisten, der außer Heinrich Baermann keinen Rivalen hatte.
Der Klarinettenbauer Louis Kolbe, Altenburg und der Klarinetten-Sänger Heinrich Geuser:
In diesem Abschnitt kombiniere ich Konzerteindrücke mit Geuser, seine Schalplatten-Produktionen und meine 40-jährige Erfahrung mit Kolbe-Klarinetten, die mir Geuser im Studium verkaufte.
Tondokumente auf Kolbe-Klarinetten in originaler tiefer Stimmung a’= 440 hz: Geuser hat richtungweisende Interpretationen der Quintette mit Streichquartett hinterlassen: Mozart, Weber, Brahms und Reger. Des Weiteren das Grand Duo von Weber mit Gerald Moore, dem legendären englischen Liedbegleiter; Schubert, Der Hirt auf dem Felsen, Louis Spohr, 6 deutsche Lieder Mozarts, Konzert von 1958.
Auf YouTube ist derzeit eine Zunahme von Aufnahmen mit ihm zu verzeichnen.
Geuser sagte zu mir, als er mich am Gartentor seines Hauses in Lankwitz/ Berlin verabschiedete, nach Übergabe des Betrages für die Klarinetten: „Die Aufnahmen habe ich nicht des Geldes wegen gemacht, sondern um der Nachwelt zu erhalten, wie man deutsche Klarinette bläst.“ Der Tonfall seiner Worte war dezent, aber ich spürte die unausgesprochene Botschaft: Ich bin das „Alfa-Tier“. Unabhängig davon: Die Individualität des Klarinettenklangs entspricht wahrlich einer Gesangsstimme, unwiederholbar.
Wenn heute jemand sagt, man solle Geuser auch nicht überschätzen, so möchte ich mit einem Zitat aus der Violinschule von Carl Flesch antworten: Die Virtuosen können untereinander das Vibrato des anderen nicht ertragen.
Empfehlenswert zu bedenken scheint mir auch: Geuser wurde mit 20 Jahren Solo-Klarinettist an der Oper unter den Linden, nachdem er Rodolf Gall in der Endrunde übertraf. Dieser wurde dann Solist des Concertgebouw Amsterdam unter Willem Mengelberg.
Geuser sagte mir über die erste Zeit an der Oper: Man fuhr voller Beklemmungen mit der Straßenbahn in die Oper und verließ sie total begeistert. In anderen Worten: Die Oper selbst charismatisch, der Dirigent eine namhafte Größe und die Gesangssolisten internationale Stars.
Dass der junge ehrgeizige Klarinettist, sozusagen berauscht von den einmaligen Gesangsstimmen, die er gerade begleitet hatte, das starke Bedürfnis empfand, genauso unverwechselbar auf der Klarinette zu klingen, konnte ich dem über 80-Jährigen noch anmerken.
Geuser hatte bei aller Beredsamkeit auch eine ausgeprägte Seite des Verschweigens. Dazu gehörte, dass er mir gegenüber nicht ein kritisches Wort über Oehler sagte, de facto aber durch das ausschließliche Spielen von Kolbe-Klarinetten und Mundstücken Oehler im Ende ablehnte, sich offensichtlich behindert fühlte in der Entfaltung seiner künstlerischen Persönlichkeit.
Mein erster persönlicher Eindruck von Kolbe, Altenburg war die A-Klarinette. Unvergesslich ist mir das Gefühl des freien Fließens des Atemstroms: das lange h’ so frei wie das leere g‘, also wie in einen Raum treten, der die Sommerluft des Gartens durch die offenen Fenster und Türen ungehindert zirkulieren lässt. Das war ein völliger Gegensatz zu meinen Übel-Klarinetten aus den 60er Jahren. Hinzu kam das geradezu Gewichtslos-Sein und das tiefe E, das wie von einem Bassetthorn zu sein schien. Ich war sage und schreibe sprachlos vor Begeisterung. Geuser sagte nur „Ja, ja er hat’s gleich gemerkt“.
Die Sängerin Erna Berger sagte: Wenn Geuser den Anfang im „Hirt auf dem Felsen“ blies, wusste man gar nicht wie man singen sollte.
Wie eine Paraphrase hierzu: Bei einem Rezital in Berlin 1964 kam die Sonate „Vor den Spiegeln“ (Geuser gewidmet) mit der Komponistin Grete von Zieritz am Flügel (Kammerton a’=440 hz) zur Aufführung. Ich war überzeugt, dass Geuser eine A-Klarinette spielte und unterließ es daher, mich durch Fragen zu vergewissern. Wie erstaunt war ich, als ich in den Noten las, Klarinette in B.
Die Bauweise der Louis Kolbe, Altenburg Klarinette im Vergleich zur letzten Entwicklung der Oehler-Klarinette, nach augenfälligen Gesichtspunkten:
Das OBERSTÜCK: bei Kolbe deutlich länger als bei Oehler
Das UNTERSTÜCK: bei Oehler länger als bei Kolbe
Der Übergang in den Becher: die konische Erweiterung im Unterstück, ist bei Kolbe länger und größer und begünstigt die Ansprache im 3. Register.
Der BECHER hat mehr Volumen als bei Oehler und ist dünnwandiger.
Kolbe-Klarinetten haben eine dünne Lackversiegelung der Bohrung, deren Zusammensetzung, ähnlich dem Geigenbau in Cremona, Herstellergeheimnis blieb. Kolbe verwendete auch das weitporigere sogenannte Königsgrenadill, öfter bei A- als bei B-Klarinetten.
Bei Kolbe, Oehler, Mollenhauer und anderen sind in den 20er- u. 30er Jahren die Schächte der offenen Tonlöcher aus dem Korpus gedrechselt. Zusammen mit dem tiefen Kammerton, fördert das die Sonorität.
Die 15,1 mm Bohrung, natürlich mit individuellen Modifizierungen, war allgemein üblich.
Kolbe baute ohne Deckelmechanik; die tief fis/cis „- Mechanik für den linken kleinen Finger, ist bei Kolbe nicht abstellbar.
Hier noch als Anhang die Geschichte eines Klarinetten-Raubes:
In den 70er Jahren wurden Geuser während einer Ferienreise alle 5 Sätze Kolbe, Altenburg (also 5 in A und 5 in B) aus dem Haus in Lankwitz gestohlen. Diese sind bis heute verschollen. Eine besondere Charakteristik der originalen Geuser- Kolbe ist die stärker gearbeitete Mechanik als gewöhnlich; Kolbe berücksichtige stets den Handbau.
Geuser sagte mir dazu in Bayreuth, nachdem er tief getroffen Berlin verlassen hatte: Meine Kolbe-Mundstücke fand man nicht. Ich hatte sie hinter den Heizungsrohren versteckt.
Ich bitte diese Information als Aufruf zu verstehen: Wer auch immer zum Wiederauftauchen dieser so wertvollen Instrumente beitragen kann, möge dies nicht verweigern. Sofern die Instrumente noch in Deutschland sein sollten, ist ja eine juristische Spätfolge wegen Verjährung nicht zu befürchten. Ich nehme mir die Freiheit in den Raum zu stellen: Die Klarinetten könnten in Japan sein. Warum? Ebenfalls in den 70er Jahren bekam Herbert Wurlitzer ein unerhört komfortables Angebot aus Japan zur Ausbildung der dortigen Klarinettenbauer. Er sagte mir dazu; Ich werde mir doch dort nicht meine eigene Konkurrenz heranzüchten.
Die Schmidt-Kolbe Klarinette und der Klarinetten-Sänger Rudolf Gall:
Rudolf Gall war Soloklarinettist des Concertgebouw in Amsterdam unter Willem Mengelberg und machte dieses Klarinettensystem wahrlich berühmt.
TONDOKUMENTE: Den ersten Eindruck der Klangpoesie von Gall verdanke ich dem Bayerischen Rundfunk, der in den 50er Jahren eine Produktion des Klarinetten-Quintetts von Johannes Brahms ausstrahlte. Der Eindruck des Adagios vor allem, machte auf mich als 16-Jährigen (der sich auch schon daran versuchte) einen wahrhaft gewaltigen Eindruck. Dieses Elektrisiert-Sein, erlebte ich viel später noch einmal beim Hören einer CD mit den Sinfonien Nr. 4 und 6 von Beethoven, in denen der junge Solist 1948 live unter Mengelberg in Amsterdam die Soli interpretierte, die bis heute nicht ihres gleichen gefunden haben. Es ist mir sozusagen ein Hunger geblieben, nach mehr aus seinen jungen Jahren.
Während des Studiums erwähnte Geuser mehrmals die Geschichte mit dem „Einspringen Hals über Kopf“ für den indisponierten früheren Mitbewerber, anlässlich einer repräsentativen Aufführung in München des „Hirt auf dem Felsen“. Der Klang seiner Worte, verriet mehr als er wahrscheinlich sagen wollte, an die Studentenrunde. Zu „greifen“ war die Autohypnose des Hochseilakrobaten. Und doch konnte ich in seinen Augen lesen: Er bewunderte heimlich den Klangpoeten Gall, dessen Tiefe der Empfindungsfähigkeit ihn sehr irritierte wegen der Unberechenbarkeit.
Die Erinnerung an den phänomenalen Klarinetten-Sänger Gall, war in den 70er Jahren in den Niederlanden noch so lebendig, dass zu seinem Andenken das Schmidt-Kolbe System noch in Gebrauch war. Hier beziehe ich mich auf meine Eindrücke bei einem Meisterkurs mit Jaques Lanzelot, für die Debussy-Rhapsodie in der Eduard van Beinum Stiftung, Breukelen bei Amsterdam.
Die Aufnahme des Mozart-Konzertes mit Bram de Wilde, Eduard van Beinum und Concertgebouw in den 70er Jahren ist möglicherweise das letzte repräsentative Tondokument zur Gall-Tradition.
Zur BAUWEISE der Schmidt-Kolbe Klarinette:
Der Klarinettist Schmidt in Mannheim, entwickelte sein deutsches System in Zusammenarbeit mit einem Wissenschaftler der Akustik. Er verstand seine Klarinette als praktische Kritik an Oehler. Er monierte: Das Tonloch für b‘ GLEICHZEITIG zum Überblasen zu benutzen, widerspreche den akustischen Gesetzen. Die Objektivität dieser Feststellung ist unbestreitbar.
Seine Klarinette, hat daher ein höher liegendes engeres Tonloch für das Überblasen. Durch eine Mechanik öffnet oder schließt sich automatisch die b-Hülse oder die Überblashülse.
Diese Klarinette hat als einzige deutsche aus der Zeit zwischen den Kriegen daher ein leicht ansprechendes, einwandfrei intonierendes 3. Register bei allen Griffvarianten. Das Trennen der Tonlöcher für b‘ und zum Überblasen erlaubt auch einen engen Konus am Übergang in den Becher zum Vorteil des tiefen e und f, ohne nachteilige Folgen für das hohe Register.
Vom französischen System übernommen ist der h/fis“-Griff für den rechten Mittelfinger, sowie dessen Variante b/f“ mit dem rechten Zeigefinger und der Klappe für den rechten Ringfinger.
Diese Bauweise hat auch eine Resonanz-Mechanik für das Gabel-f mit dem linken Mittelfinger. Serienmäßig auch eine Mechanik für den rein klingenden h/cis‘ und fis“/gis“-Triller (die sogenannte geteilte cis’/gis“ Klappe).
Die meisten noch erhaltenen Schmidt-Kolbe Klarinetten sind in Wirklichkeit Schmidt-Fritz Wurlitzer Klarinetten. Nach dem Scheitern des ursprünglichen Duos, ersetzte er Kolbe und erntete viel Lob für die meisterhaft gefertigte kniffelige Mechanik.
Schmidt-Kolbe-Klarinette von Fritz Wurlitzer
Die Mundstücke haben, wie bei der französischen Klarinette, eine zylindrische Bohrung, bis zu 5,7 mm. Bei allen anderen deutschen Bauweisen bis heute ist die Bohrung zylindrisch, am Zapfen höchstens 5,4 mm.
In diesen geographischen Begriff beziehe ich auch das Gebiet jenseits des südlichsten Zipfels von Sachsen ein.
In der Zeit der Donau-Monarchie gelangte man hier nach Böhmen. Durch die Vielzahl mineralischer Quellen, kam es sozusagen auf dem Reißbrett zum Entwurf von Badeorten, mit großen herrschaftlichen Parkanlagen für die Sommerkuren der österreichischen Aristokratie. Auch die imposante Sommerresidenz des Fürsten Metternich befindet sich hier. Seit einigen Jahren, vollständig renoviert, dem Publikumsverkehr zugänglich.
Nach dem Grenzübergang bei Bad Brambach mit Radon-Quellen, erreicht man zunächst Franzensbad. Es folgen die heute wieder im alten Glanz erstrahlenden, in Romanen, Biographien et cetera verewigten Bäder Marienbad und Karlsbad. Im Sommer bietet das schmucke kleine Theater in Marienbad wieder Vorstellungen an. Natürlich gibt es auch wieder Kurorchester. Alles in alIem ein Eldorado für Nostalgiker, Ältere die sich verlieben wollen.
In der Hochblühte des aristokratischen Ambiente gab die Anwesenheit von Orchestern zum Hören und Tanzen, der Auftritt gefeierter Stars et cetera der Ansiedelung von Instrumentenbauern jenseits und diesseits der Grenze, weiteren Auftrieb.
Markneukirchen und Graslitz wurden in Deutschland und Österreich, innovative Zentren des Instrumentenbaus für traditionsreiche europäische Instrumente, einschließlich aller Arten von Zubehör.
Die weltweit führende Saitenindustrie in Markneukirchen, veranlasste die Vereinigten Staaten zum Gründen eines Konsulats in Markneukirchen. Die Villa „Paulus-Schlössl“ gibt Zeugnis davon.
Mit diesen Zeilen möchte ich lediglich Interesse wecken für eine in Europa einmalige „Handwerkerkultur“, der Markneukirchen alljährlich im Sommer ein Fest widmet. Der 2. Weltkrieg hatte mit „ehener Kralle“ seine zerstörende Handschrift hinterlassen.
Der Abschnitt über Die WIENER KLARINETTE ist nur nährungsweise zum Hauptthema passend. Meine mehrjährige praktische Erfahrung mit Hammerschmidt-Klarinetten, lässt mir aber Raum für gewisse Rückschlüsse auf den Entwicklungsgang dieser deutschen Bauweise.
Die Protagonisten der Entwicklung sind Kaktan und Hammerschmidt. Letzterer gehört zu einer „Dynastie“, die in Graslitz mit Carl Hammerschmidt ihren Anfang nahm.
Der Schlüsselbegriff zum Entwicklungskonzept Kaktan-Hammerschmidt ist die BOHRUNG.
Der historische und kulturelle Gegensatz des „preußischen Berlin“ und der „Balkanhauptstadt“ Wien ist in Operetten und Lustspiele eingegangen, zum Beispiel.
Geuser sagte mir: Wenn wir mit der Oper unter den Linden in Wien waren, sagten die Wiener Kollegen: „Ach die Deutschen mit ihren C-Klarinetten“.
Ein dunkeltöniger Klarinettenklang, der die Mischfähigkeit mit Streichern in der Kammermusik an die erste Stelle setzt, hat in Wien eine lange Tradition. Kaktan kam offensichtlich zu dem Schluss, dass die besten Erfolgsaussichten in einer bisher nie versuchten großen Bohrung gefunden werden könnten.
Zur technischen Umsetzung waren daher wesentlich dickwandigere Ober- u. Unterstücke erforderlich.
Dadurch entstanden bei Instrumenten mit Bohrungen von 15,3 oder 15,4 mm zum Beispiel, tiefe Tonlochschächte, insbesondere im Oberstück. Beim Unterstück wurde, wahrscheinlich dem französischen Beispiel folgend, die traditionelle Länge und Weite des Konus beträchtlich überschritten, nach Maßgabe der Spielbarkeit des 3. Registers bei so großen Bohrungen.
Eine Vermutung: Am Beginn der akustischen Erforschung auf diesem so neuen Weg, könnte Kaktan überrascht gewesen sein, als er feststellte, dass bei so tiefen Tonlochschächten das seit dem Mittelalter angewandte „Unterschneiden“ (Erweitern des Tonlochs am Eintritt in die Bohrung zur Rauschbefreiung des Klanges), die Ansprache zum Verschwinden bringt. Stattdessen muss das Tonloch von oben erweitert werden, was sogar eine Vereinfachung des Bauens ergibt. Das Oberstück bedarf hier besonderer Beachtung.
Tondokumente mit Leopold Vlach Wiener Philharmoniker, Bruno Walter, Karl Boehm u.a.in Sinfonien und Opern W.A. Mozart: Klarinettenkonzert Kammermusik; Brahms-Quintett, Schubert Oktett, live, Hans Pfitzner Sextett.
1. Die offenen Tonlöcher für die Ringfinger, sind nach anatomischen Gesichtspunkten versetzt angeordnet.
2. Von der französischen Klarinette wurde die Kopplung der a‘ und gis’-Klappe übernommen zur Resonanzverbesserung des b‘; zusätzlich gibt es eine b-Klappe für den rechten Zeigefinger, die auch als erste Trillerklappe dient. Der Klang dieses Griffs als b’ ist freier als der Hauptgriff.
3. Auf der A- u. B-Klarinette wird die gleiche Birne verwendet, wie auch üblich bei der französischen Klarinette. Aus Gründen der Ansprache, ist bei der A-Klarinette der Zapfen für die Birne ein Millimeter kürzer als bei der Klarinette in B. Die Wiener Klarinette ist insgesamt nahezu unempfindlich, in der Ansprache beim Ausziehen aller Teile zum Einstimmen.
4. Das e‘ hat eine Resonanzmechanik zur Anhebung der Stimmung; insbesondere für sehr große Bohrungen erforderlich.
5. Das SpielgefühI der Wiener B-Klarinette ist „weicher“ als bei der deutschen.
6. Die Premiere Rhapsodie von Claude Debussy oder das Konzert Nr. 2 von C. M. v. Weber, zum Beispiel, profitieren von der insgesamt größeren Flexibilität der Wiener Klarinette mit dem Wiener Reform-Mundstück und dem Blatt im Wiener Schnitt.
7. Bei der Wiener Spielweise entfällt bei cis’“-d’’’ – dis’’’und e’“ die es’’-Klappe, das f’ mit dem rechten Zeigefinger ergibt ein stimmendes c’’’, im 3. Register klingen die „kurzen“ Griffe (weniger Finger) nahezu identisch mit den Hauptgriffen.
8. Leopold Vlach, Solist der Wiener Philharmoniker, entwickelte eine lange Mundstückbahn die mit stark im Holz gehaltenen Blättern aber moderatem Ansatzdruck, auch im 3. Register gespielt werden kann. Diese „Nuller-Bahn“ wurde zur noch längeren Wiener Reform-Bahn weiterentwickelt, um den dunkeltönigen Klang zu optimieren.
Bei der Wiener Klarinette von Frank Hammerschmidt, ist der Bereich des Oberstücks am Zapfen für die Birne deutlich kürzer als beim Oehlersystem. Somit befindet sich die b1-Hülse an fast derselben Stelle der Hülse der b-Mechanik des Oehlersystems, die einen Durchmesser des Zylinders von 2,8 mm hat. Dieser ist günstiger für die Ansprache des zweiten und dritten Registers. So habe ich die traditionelle b-Hülse (3,0 mm), mit einer von 2,8 mm ausgetauscht. Das positive Ergebnis wurde mit der Premiere Rhapsodie von Claude Debussy dokumentiert.
Resonanzhilfe für das b1, hat die Wiener Bauweise durch das Koppeln der a1 und der gis1-Klappe, da die Tonlöcher sich nahe bei der b1 Hülse befinden. Vorteilhaft für die Resonanz ist auch, dass das sehr dickwandige Oberstück mit sehr langen Tonlochschächten nach oben geweitet ist, also nicht unterschnitten.
Die Aufnahme der Rhapsodie ist als Study-Version auf YouTube zu finden. Um die Vorteile eines der Flöte nahekommenden Klangbildes der Kantilenen im dritten Register zu verwirklichen, spiele ich auf der Klarinette in A. Die Stellen mit einem sehr intensiv zu spielenden b1 erfordern natürlich nun einen höheren Atemdruck. In meiner Vorstellung gemäß dem h1 der Wiener Bauweise von Frank Hammerschmidt.
Bleibt die Frage, ob die Wiederbelebung der Klarinettenkultur zwischen den Kriegen auf originalen Instrumenten möglich ist!
Zu Ende der 40er- u. in den 50er Jahren, entstand in Westdeutschland eine unverabredete gesellschaftliche Übereinkunft, eine Initialzündung zur Verarbeitung der desaströsen Erinnerungen bei Opfern, sogenannten „Mitläufern“ aller Schattierungen und abgetauchten Tätern et cetera: Wir stürzen uns in den Wiederaufbau. Man kann auch sagen: Die Überlebenden favorisierten eine Vergessenskultur, die zusätzliche Nahrung erhielt durch den Marshall-Plan der Vereinigten Staaten. Die neuen Politiker „witterten Morgenluft“ und setzten sich mit der Erfindung des Schlagwortes „Wirtschaftswunder“ an die Spitze.
In der Musikszene formierte sich als „I-Tüpfelchen“ des Wunders zu Beginn der 60er Jahre die magische Symbiose „Karajan und die Berliner Philharmoniker“. Man fieberte (ich eingeschlossen) jeder neuen Grammophon-Platte mit einer weiteren Beethoven Sinfonie, zum Beispiel, entgegen.
Was war nun das Neue dieser Interpretation gegenüber Furtwängler? Es war vor allem der brillantere Orchesterklang, durch das Anheben des Kammertons a’= 440 auf 443/444 hz.
Dem Zeitgeist und dem Vorbild Arthur Nikisch folgend (wie bereits geschildert), wählte Karajan eine zusätzliche technische Strategie des Vergessenmachen-Wollens, da er sich ja nicht sicher sein konnte, ob er Furtwängler allein auf interpretatorischem Wege überflügeln könne.
Geuser sagte mir: Der jüngere Karajan zwischen den Kriegen bekannte: Die Interpretation der Schubert’schen Unvollendeten von Furtwängler traumatisiere ihn derart, dass er nicht den Mut habe, diese zu dirigieren.
Zurückkehrend zur Klarinette:
Das Vorbild in Westberlin erzeugte eine Kettenreaktion, die alle Orchester im Westen erfasste.
Die bis dahin in der Regel ehrenvoll behandelten Klarinetten, wurden im Orchesteralltag zum Hindernis durch die tiefe Stimmung; sie wurden ihrer kulturellen Aura beraubt.
Die nun schon älteren Bläser, in den Spitzenorchestern oft an die 2. Position gerückten ehemaligen Solisten, führten sozusagen reihenweise ihre Oehler-, Uebel-, Kolbe-Klarinetten et cetera zur „Schlachtbank“ und ließen die Birnen abdrehen, obwohl sie um die unumkehrbare Klang-Verstümmelung wussten.
Die Birne, dieser kleine auswechselbare Teil der Klarinette zur Feinregulierung der Stimmung, ist ein akustisch hochsensibler-Bestandteil der Klarinette, da so nahe am Mundstück. Eine neue Birne in originaler Länge stabilisiert zwar in der Regel die Intonation, bietet aber keine Chance zum Wiedergewinnen des einstmaligen Klanges. So erstaunlich es ist, der so geringe Prozentsatz an neuem Holz wird vom sonst originalen Instrument entschieden zurückgewiesen.
Ein Klarinettenbauer im Musikwinkel sagte mir: Bei einem Nachbau sollte die frühere Fertigungstechnik angewendet werden für die Bohrung. Ich fügte hinzu: und der Mond muss zunehmend sein. Wir haben uns heiter gestimmt voneinander verabschiedet.
EIGENVERSUCH der Wiederbelebung einer Klarinette aus der Zeit zwischen den Kriegen.
Tondokumente: Google Dieter Kühr Klarinette, Louis Spohr Konzerte Nr. 3 und 4 komplett. Allegro Nr.2, Hörempfehlung: Nr. 4 erster Satz, Nr.3 letzter Satz
Das INSTRUMENT: Gustav Mollenhauer, Kassel Seriennummer 30 485, 20er Jahre, in allen Teilen Original, a’= 440
Oehler-System mit Deckelmechanik und tief e-Regulierung
Charakteristiken; sehr gute Luftannahme und einwandfreie Intonation in allen Registern, also widerstandfreier als Oehler, im SpielgefühI Kolbe, Altenburg ähnlich
Die Birne ist 59,0 mm lang und hat am Herz für das Mundstück einen Metalleinsatz zum Vermeiden von Materialschwund durch auswischen.
Die Tondokumentation machte ich 2015/16. Da wir ja nicht wirklich in der Zeit zurückgehen können, spielte ich ein modernes Acryl-Mundstück mit der Wiener Reform-Bahn nach Peter Schmidl, gefertigt von Johannes Gleichweit, Wien und Wiener Blättern von Peter Leuthner.